Unsichtbare Kräfte
vor der Hütte, die Renard für seine Leute hier errichtet hatte. Renard selbst stand am Ufer.
Calleja, der am Empfänger gesessen hatte, kam freudig winkend herbeigeeilt. »Habe eben Verbindung mit dem >Captain< bekommen. In einer Viertelstunde ist er da!« —
Und dann standen die vier Freunde um Wildrake, der seinem Flugzeug entstiegen war. Calleja wollte in die Kabine treten, um das Gepäck herauszuholen. Doch der Kapitän hielt ihn zurück.
»Ein Grund besonderer Art, lieber Calleja! Warten Sie noch ein Weilchen! Es gilt jetzt, so schnell als möglich die Sache mit Renard zu regeln. Er mag leben bleiben! Aber er muß von hier fort. Was weiter mit ihm geschieht, kann uns einerlei sein. Jedenfalls glaube ich nicht, daß wir berufen sind, über ihn zu richten. Also folgendes ist zu tun: Einer - Barradas, Sie wären wohl der Geeignetste dafür - nimmt das Bordflugzeug und bringt ihn fort. Machen Sie sich sofort bereit! Ich selbst nehme Sie, Droste, an Bord. Wir fliegen weiter nach Südwesten, um einen anderen, besseren Stützpunkt zu suchen. Alvarez und Calleja warten hier mit der >Susanna<.«
In diesem Augenblick kam Renard vom Strande her langsam auf sie zugegangen. Die Hände in den Taschen vergraben, seine kurze Pfeife schmauchend, stellte er sich breitbeinig vor die Offiziere hin.
»Nun, hat ein hohes Kriegsgericht getagt?« fragte er. »Daß Sie einen alten Kriegskameraden nicht dem Strick überliefern werden, ist ja selbstverständlich. Ich möchte nur bitten, daß Sie mich so bald wie möglich von hier wegschaffen, und zwar zu einer Stelle, von wo ich Verbindung nach dem Westen habe: S.-Pauls-Insel am besten!«
»Es wäre besser, Jean Renard, wenn Sie Ihre Sprache mäßigten!« sagte Wildrake. »Noch sind Sie in unserer Hand. Wenn wir beschlossen haben, Ihnen die Freiheit zu schenken, so tun wir das, weil wir genau wissen, daß Ihnen über kurz oder lang doch der Strick blühen wird.«
Renard schlug mit dem Finger einen Kreis um seinen Hals. »Wäre schade darum!« meinte er mit komischem Grinsen. »Denke, er wird meinen Kopf noch eine gute Reihe von Jahren tragen! Glaube auch nicht, daß es das letztemal gewesen ist, daß wir uns begegneten, Kapitän Wildrake. Der Krieg ist noch nicht zu Ende. Vielleicht kommt der Tag, wo Sie sehen, daß Jean Renard seine alten Freunde nicht vergißt.«
Barradas kam vom Schiff her. »Das Flugzeug steht bereit, Kapitän Wildrake. Kann’s losgehen?«
»Ah, so schnell?« fiel Renard ein. »O nein! Muß noch sehen, ein bißchen Reisegeld zusammenzuklauben. Es ist nicht viel. Ihr werdet’s einem alten Manne lassen!«
Er verschwand in dem Gebüsch hinter dem Hause, kam nach kurzer Zeit wieder. »Fahren wir zur Insel S. Paul! Kenne da einen Platz, wo wir in der Dunkelheit ungesehen landen können.«
Er wandte sich zum Gehen, besann sich einen Augenblick, trat dann auf Wildrake zu. »Vergaß ganz, mich bei Ihnen für genossene Gastfreundschaft zu bedanken, Captain! Möchte Ihnen zur Erinnerung dieses Paket übergeben.«
Wildrake drehte sich ärgerlich um.
»Nicht so stolz, lieber Captain!« rief Renard. »Ein paar Worte nur, dann mögen Sie tun, was Sie wollen. Erinnern sich vielleicht alle, daß vor kurzem das brasilianische U-Boot 340 als vermißt gemeldet wurde ...«
Wildrake wandte interessiert den Kopf, trat unwillkürlich ein paar Schritte näher.
»Verschollen!« Der Pirat lachte heiser. »Jean Renard weiß, an welcher Stelle des Meeres es liegt ...« Er machte eine Pause.
»Diese Mappe stammt vom U-Boot 340, Kapitän Wildrake! Ich schenke sie Ihnen. Geld ist nicht darin - war auch nicht darin! Aber ich taxiere, es sind ein paar Dokumente dazwischen, die Sie interessieren werden.« Renard schwenkte mit vergnügtem Lächeln seine Mütze.
*
»Nach alldem, was wir gesehen haben, Droste, dürfte dieses Eiland am besten Ersatz für unsere Insel X. bieten.« Droste nickte. »Sie haben recht, Wildrake. Bietet sie auch nicht alle Vorzüge von X., so bleibt uns in Ermangelung eines Besseren doch nichts übrig, als hier unsere Station anzulegen. Nennen wir sie ...«
»Nein, nein!« unterbrach ihn Wildrake laut. »Ich taufe die Insel hiermit auf den Namen ihrer besten, edelsten Bewohnerin: Santa Maria!«
In der Kabinentür der Flugjacht erschien Maria. Noch ehe ihr Bräutigam herbeieilen konnte, war sie mit bewunderungswürdiger Sicherheit die Stufen hinabgeschritten, eilte über das flache Land der Stelle zu, wo die Freunde standen.
»Unser neues Heim, Maria!
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