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Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Vorgehen, die du auch schon angesprochen hast. Zum Beispiel, dass er nur die weiblichen Opfer missbraucht und nur ihnen die Augen aussticht. Das könnte bedeuten, dass er sich Frauen gegenüber minderwertig fühlt oder dass er unter dem Pantoffel von eine r s teht. In Frage käme da in allererster Linie die berühmte Mutter, es könnte sich aber auch um die Ehefrau oder eine Freundin oder Lebensgefährtin handeln. Auf jeden Fall spielen Frauen in seinem Leben eine ganz wesentliche Rolle, und zwar im negativen Sinn. Er fühlt sich ihnen unterlegen und ist nicht in der Lage, seinem Unmut Luft zu verschaffen. So weit bin ich inzwischen. Gib mir noch ein paar Tage, dann hab ich garantiert mehr, das ich dann dem Team präsentieren kann.«
    »Stopp«, sagte Henning, »das mit den Minderwertigkeitsgefühlen Frauen gegenüber hab ich auch schon durchgedacht. Aber wo ist die Verbindung zu den Kindern und den Männern? Jemand, der seine Mutter oder seine Frau hasst …«
    » Es muss nicht zwangsläufig um Hassgefühle gehen, sondern eher um eine abgöttische Liebe, die aber irgendwann in Hass umgeschlagen ist, ohne dass derjenige die Liebe aufgegeben hat. Eine sogenannte Hassliebe. «
    » Alles schön und gut, trotzdem, was ist mit den Kindern und den männlichen Opfern? Das krieg ich nicht zusammen. «
    » Ich auch nicht, um ganz ehrlich zu sein. Was war es denn bei diesem Tschikatilo? Ich hatte noch keine Zeit, mich mit seiner Vita zu beschäftigen, aber hat man rausgefunden, was sein Problem war? «
    » Er war ein Ausgegrenzter, einer, der Frauen gegenüber sehr schüchtern war und der irgendwann merkte, dass es ihn erregte, wenn er Menschen Schmerzen zufügen und sie töten konnte. Er war sehr gebildet, hatte Sprachen und Literaturwissenschaften studiert und auch als Lehrer gearbeitet, bis er wegen sexueller Übergriffe an Schülerinnen vom Schuldienst suspendiert wurde. Er war verheiratet, hatte zwei Kinder und führte ein unauffällig normales Leben, was übrigens die meisten Serienkiller gemein haben. Und es war reiner Zufall, dass er der Polizei ins Netz ging. Was ihn von unserm Mann unterscheidet, ist, dass er keine Männer tötete, wohl aus Angst, ih nen unterlegen zu sein. Irgendwo auch kein Wunder, war doch Tschikatilo physisch nicht gerade der Stärkste. Es existiert genug Literatur über ihn. Besorg sie dir, und du wirst feststellen, dass es Parallelen zu unserm Fall gibt, mit dem Unterschied, dass unser Täter auch vor Männern nicht Halt macht, nicht mal vor einem Typ, der fast zwei Meter groß ist und so ziemlich jeden in Grund und Boden hätte rammen können. Das heißt, es gibt eigentlich niemanden, der vor ihm sicher ist. «
    » Und er wird wieder zuschlagen «, bemerkte Santos. » Vielleicht schon heute, irgendwann und irgendwo. Aber wir können nicht überall gleichzeitig sein. «
    » Wir müssten die Straßenkontrollen verschärfen «, sagte Henning.
    » Und woher willst du all die Beamten nehmen? Und vor allem, was ist, wenn wir uns auf den Raum Schleswig-Flensburg oder Eckernförde-Kiel konzentrieren, und er hält sich gerade mal wieder hundert oder zweihundert Kilometer entfernt auf? Wir haben das Personal nicht für eine solche Aktion. «
    » Stimmt auch wieder. Ich gehe übrigens davon aus, dass wir morgen wieder Post von ihm bekommen. Vielleicht sogar noch ein Gedicht. «
    » Du meinst, er legt es jetzt wirklich drauf an? «, fragte Friedrichsen zweifelnd.
    » Jan, du als Psychologe müsstest das doch am ehesten merken. Zwei Morde an fast der gleichen Stelle, dazu sein Brief. Was immer er auch will, eins ist sicher – er will unter anderem unsere Aufmerksamkeit. Wenn’s weiter nichts gibt, ich habe ein dringendes Telefonat zu führen, außerdem muss ich noch kurz mit Lisa unter vier Augen sprechen. «
    Auf dem Flur sagte Henning zu Santos: » Du kannst jetzt nach Hause fahren oder zu deiner Schwester. Wir sehen uns morgen … «
    » Aber … «
    » Kein aber. Du hast dir das ganze Wochenende um die Ohren geschlagen und solltest dich ein bisschen ausruhen. Außerdem braucht dich deine Schwester. Ich hab was Dringendes zu erledigen. «
    » Verrätst du mir, was? «
    » Wie lange kann ich dich heute erreichen? «
    Santos neigte den Kopf ein wenig und sah Henning mit schelmischem Blick an. » Warum? «
    » Nicht hier. Und du brauchst gar nicht so zu gucken. «
    » Sagen wir nach acht, dann bin ich aus Schleswig zurück. Aber bitte nicht später als zehn, ich brauch wirklich ein bisschen mehr Schlaf

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