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Unsichtbare Spuren

Unsichtbare Spuren

Titel: Unsichtbare Spuren
Autoren: Andreas Franz
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Herr Henning, einzuwerfen. Er hätte mich besser nicht darum bitten sollen, denn ich war ziemlich schlecht drauf. Außerdem bin ich militanter Nichtraucher. Aber das nur nebenbei. Sind Sie bereit? Ich melde mich heute noch bei Ihnen, ich habe nämlich eine Überraschung für Sie. «
    Santos hatte mitgelesen und machte ein ratloses Gesicht .
    » Wozu soll ich bereit sein? «, fragte Henning mehr sich selbst .
    » Keinen Schimmer «, antworteten Harms und Santos synchron.
    » Ich begreife diesen Typ nicht. Er ist Lyriker und Mörder in einem. Was will er uns mit diesem Gedicht sagen? «
    » Nicht uns, dir «, entgegnete Santos. » Alles, was er bisher geschickt hat, war für dich bestimmt. «
    » Aber warum? Warum ausgerechnet ich? «
    » Das wirst du möglicherweise heute noch erfahren. Was habt ihr vor? «, fragte Harms.
    » Warten. Wir können nichts anderes tun, als zu warten. Jan muss uns helfen. «
    » Er kommt erst gegen Mittag. «
    » Okay, dann vertreiben wir uns die Zeit damit, noch ein wenig durch die Gegend zu kutschieren. Was haben unsere Kollegen alles herausgefunden? Es sind doch etliche Angehörige von früheren Opfern befragt worden, oder? «
    » Nichts, was uns weiterhelfen könnte. Es ist im Prinzi p d as, was auch in den Akten steht. Nur eins ist bemerkenswert – in allen Familien scheinen zufällige Begebenheiten eine wesentliche Rolle zu spielen, jedenfalls mehr, als in andern Familien. «
    » Woher willst du das wissen? «, fragte Henning mit einem angedeuteten Lächeln, dessen Grund nur er kannte. » Hast du schon mal überlegt, wie oft Dinge in deinem Leben zufällig geschehen sind? «
    » Das ist doch was völlig anderes «, erwiderte Harms leicht ungehalten. » Du hast selbst davon gesprochen, dass du den Eindruck hast, Täter und Opfer würden auf eine seltsame Weise zusammengeführt … «
    » Ich frag mich, wo der Unterschied ist. Zufall, Schicksal, Fügung, nimm irgendeinen Begriff und versuch ihn zu definieren, es wird dir nicht gelingen. Lass mal deine letzten vierzig Jahre Revue passieren, und du wirst feststellen, dass sehr häufig Dinge geschehen sind, für die du keine rationale Erklärung hast. Unser ganzes Leben ist von Zufällen geprägt oder wie immer man bestimmte Ereignisse auch nennen mag … «
    » Das hört sich aber auf einmal ganz anders als am Samstag und Sonntag an «, fiel ihm Harms ins Wort. » Woher der Sinneswandel? «
    » Ich habe nachgedacht, das ist alles. Lisa, bist du bereit? «
    Sie erhob sich wortlos und sah Henning an. » Wo wollen wir hinfahren? «
    » Wo der Wind uns hinträgt «, antwortete er. » Ich habe kein Ziel, ich lasse mich leiten. «
    » Das ist aber keine gute Ermittlungsarbeit «, bemerkte Harms mahnend.
    » Ich denke schon. Außerdem, warum sollen wir hier rumhocken und darauf warten, dass er sich meldet? Mit dem Handy bin ich überall erreichbar, er hat ja meine Nummer. Vielleicht statten wir auch den Gödens oder den Hansens oder den Schöffers noch einen Besuch ab. Wie gesagt, wir lassen uns leiten. «
    » Na, dann mal viel Spaß. Die andern reißen sich den Arsch auf, und ihr gondelt mal so ein bisschen in der Gegend rum. «
    Henning stützte sich auf dem Tisch ab und sah Harms direkt in die Augen. » Hör zu, dieser Typ will was von mir, und ich kann nicht aktiv werden, solange ich nicht weiß, was er will. Meine Arbeit und auch die von Lisa besteht darin, dass wir versuchen uns in seine Welt hineinzudenken. Du verstehst das nicht, aber ich habe immer mehr das Gefühl, dass es mir gelingt. Jan hat gestern ziemlich viel über ihn erzählt, du warst dabei. Und was er mit dieser Mandy Schubert angestellt hat, das war schlimmer als alles, was ich bisher gesehen habe. Mir kommt es vor, als ob er die Sache auf die Spitze treiben will, das Problem ist nur, ich weiß nicht, wo diese Spitze ist und wo wir im Augenblick stehen. Ich habe aber die Hoffnung, dass dieses unsägliche Spiel bald ein Ende hat, weil er es so will. Ohne seine Hilfe werden wir ihn nicht kriegen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber er wird wieder Kontakt zu mir aufnehmen, denn ich gehe davon aus, dass er zu seinem Wort steht. Und außerdem, du hast mir gestern noch zugesagt, mir den Rücken freizuhalten. «
    » Ist ja gut, du brauchst dich nicht gleich so aufzuregen. Für mich ist das alles auch nicht gerade leicht. Ich hab dir das gar nicht gesagt, aber Kieper hat mich gestern Nachmittag zugetextet. Der darf nie erfahren, dass du einen Alleingang unternimmst.
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