Unsortiertes
ist, dann kann er erst einmal dort
wohnen bleiben, quasi eine Gnadenfrist, bis er eine eigene Wohnung findet.“
Das leuchtete ein. „Und damit er nicht wieder auf der Straße landet,
soll er ein Praktikum machen?“
„Genau! Offiziell ist seit einer Woche die Jugendabteilung des
Jobcenters ist für ihn zuständig.“ Klaus Sinkewitz atmete tief durch. „Normalerweise
hätten wir vor einem Vierteljahr Nachricht kriegen müssen, aber sein Betreuer
hatte einen Autounfall und kam in die Reha. Was soll ich sagen? Die Meldung
unterblieb und ich habe erst letzte Woche von seinem Schicksal erfahren.“
Ich nickte. „Sie brauchen also Zeit, um gewisse Sachen zu regeln?“
„Sie sagen es! Wenn ich ihn nicht irgendwo unterbringen kann, droht ihm
in der nächsten Woche die Obdachlosigkeit und alle Fortschritte, die er in den
letzten 13 Monaten gemacht hat, wären für die Katz. Ob er sich dann noch einmal
fängt?“ Er zuckte resigniert mit den Schultern.
Ich rieb mir mein Kinn. „Dann ist das Praktikum eigentlich nur pro
forma?“
„Nein! Er soll auf alle Fälle arbeiten, Matthias braucht eine Aufgabe,
braucht ein geregeltes Leben.“ Der Mann vom Amt wirkte verzweifelt. „Wenn sie
bereit wären, das Praktikum bis Ende August auszudehnen, dann habe ich Zeit,
mich als Ansprechpartner zu etablieren und um den Rest, wie Wohnung und
Hausstand, zu kümmern. Die Verwaltung hat bei ihm schon mehr als einmal
versagt.“
Ich konnte nur zustimmend nicken. „Gut, dann trage ich als Ende den
31.08 ein. Würde es helfen, wenn ich den Vertrag etwas zurückdatiere? Dann
sieht die ganze Sache nicht ganz so getürkt aus!“
Sinkewitz bekam strahlende Augen. „Er schließt mit ihnen einen
Praktikumsvertrag und schickt ihn mir. Aufgrund von Postlaufzeiten und den
Feiertagen, es war ja Pfingsten, erfahre ich es erst heute, besuche ihn an
seinem ersten Arbeitstag und mache dann die Meldung an das Jugendamt, dass er in
seinem bisherigen Umfeld erst einmal wohnen bleiben muss.“
Ich lachte. „So dachte ich mir das.“
In dem Moment klopfte es an die Tür und, ohne eine Antwort abzuwarten,
stand meine Mutter im Rahmen. „Junge, unser neuer Praktikant ist da und, ehe du
fragst, der Kaffee ist schon in Arbeit.“
Als Matthias den Raum betrat, musste ich erst einmal schlucken. Seine
blonden, fast schulterlangen Haare, waren brav zu einem Mittelscheitel gekämmt,
das weiße Hemd war ihm wohl zwei Nummern zu groß, er versank regelrecht darin.
Wäre es bodenlang, man hätte ihn als kleinen, schmächtigen Engel beschreiben
können. Mein Mund wurde trocken, als er sich grazil auf mich zu bewegte. Er war
knapp eine Handbreit kleiner als ich, aber bei meiner Größe von fast zwei
Metern ist fast jeder kleiner. Seine Hand, die er mir zur Begrüßung reichte,
war schweißnass; er schien aufgeregt zu sein, wirkte aber zeitgleich auch
verschüchtert.
Bei einem Kaffee besprachen wir die Formalitäten und der Mann vom Amt
verabschiedete sich dann, ich blieb alleine mit dem engelhaften Wesen. „Sag
mal, wie willst du jeden Morgen zu uns kommen?“
„Bus oder Rad.“ Er strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Führerschein
und Auto Fehlanzeige.“
„Mit dem Bus dürfte das schwer werden, wir fangen um acht Uhr an.“ Außer
unserem Betrieb gab es nur noch Bauern in der Gegend und der öffentliche
Personennahverkehr war in unserem ländlichen Umfeld nicht gerade gut ausgebaut:
Die nächste Bushaltestelle lag knapp drei Kilometer entfernt.
Ich erhob mich. „Dann komm mal mit, ich werde dir jetzt zeigen, wo du
in den nächsten Monaten viel Schweiß lassen wirst. In ein Fitnessstudio wirst
du nicht gehen müssen, die Muskeln kommen hier von ganz alleine.“
Der Hauch eines Lächelns huschte über sein Gesicht. „Für so etwas hatte
ich bis jetzt kein Geld.“
Wir verließen mein Büro und gingen durch das Gartencenter, das auch zu
unserem Betrieb gehört. Von dort aus lenkten wir unsere Schritte auf das große
Freigelände, dann zur Baumschule und später in die Gewächshäuser, um
schließlich, nach über einer Stunde, auf dem eigentlichen Betriebshof den
Rundgang zu beenden.
Ich deutete auf eins der Gebäude „Da sind die Personalräume, da werden
wir dich jetzt einkleiden.“
Wir betraten den kleinen Flur und blieben vor der Stempeluhr stehen.
„Wenn du kommst und wenn du gehst, bitte stempeln, die Stunde Pause am Tag wird
automatisch abgezogen. Falls du es
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