Unsterblich 04 - Unsterblich wie der Morgen
Wenn einer gerettet werden muss, dann doch du.
Adam duckte sich grinsend, und Cems Hieb ging daneben.
»Ich hatte solche Angst! Diese Kerle aus dem Westclan, das sind ja Riesen!«
Victoria klammerte sich an den Arm ihres Mannes. Ihre anfängliche Begeisterung wich einer immer größer werdenden Nervosität.
Adam konnte es ihr nicht vorwerfen. Sie war das einzige menschliche Wesen im Club V.
Mit ihr in den Club zu gehen war Sams Idee gewesen.
Victoria war zunächst ganz begeistert davon gewesen, doch jetzt, wo sie hier waren, wurden ihre Augen von Sekunde zu Sekunde größer. Angstlich schaute sie sich in dem unterirdischen Raum um.
»Na, so riesig waren sie auch wieder nicht«, widersprach Cem und zog Victoria fester an sich.
»O doch!«, riefVictoria energisch aus, doch dann wechselte sie plötzlich das Thema. Sie reckte den Hals. »Ist so eine Aufmachung hier üblich bei Frauen? Ähm, Vampirfrauen?«, wollte sie wissen.
Adam folgte ihrem Blick. Weiter hinten an der Bar servierte Colin, der Barmann, soeben drei Frauen in unerhört knappen schwarzen Fähnchen, ohne BH und möglicherweise sogar ohne sonstige Unterwäsche, Gläser mit Froschblut, ein beliebtes Aphrodisiakum.
»Nicht bei allen«, versuchte Adam sie zu beruhigen.
»Aber bei den meisten?« Victoria ließ nicht locker.
Da Cem sich stirnrunzelnd in Schweigen hüllte, war es an Adam, die Erklärungen zu übernehmen.
»Vampire sind nicht so, ahm, konservativ, was ihre Sexualität betrifft, wie Menschen. Wenn Vampirfrauen in solcher Kleidung in den Club kommen, sind sie gewöhnlich auf der Suche nach einem Sexualpartner.«
Victoria war geschockt. »Du meinst, die Männer können sie einfach ansprechen und mitnehmen? Wie ein Spielzeug?«
»Victoria, jetzt hol bitte nicht die feministische Fahne raus«, sagte Cem und merkte erst, als seine Worte heraus waren, dass das die falsche Antwort war. Seine Frau musterte ihn erbost.
»Ganz und gar nicht«, warf sich Adam in die Bresche.
Er bedachte seinen Freund mit einem Du-bist-ein-Idiot-Blick. Victoria war in einer männlich dominierten Gesellschaft groß geworden. Es würde nicht leicht für sie werden, die Gepflogenheiten von Vampiren zu akzeptieren.
Hier waren beide Geschlechter wirklich und wahrhaftig gleichberechtigt. Ein männlicher Vampir hatte nicht mehr Rechte als ein weiblicher. Wenn überhaupt, so wurde ihre Gesellschaft von der weiblichen Seite dominiert.
»Du wirst bald lernen, dass in unserer Gesellschaft eher die Frauen das Sagen haben«, erklärte Adam Victoria. »Diese Frauen dort wählen sich ihre Partner, nicht umgekehrt.
Kein Mann wird es wagen, sich ihnen von sich aus zu nähern.
Er muss warten und hoffen, dass sie auf ihn zukommen.«
»Wie wahr«, bemerkte Sam und setzte sich an ihren Tisch. Cem runzelte die Stirn, aber der blonde Vampir schien es nicht zu bemerken. An Adam gewandt fuhr er fort: »Habt ihr unserer Victoria hier schon die Ablehnungsrechte erklärt?«
»Ablehnungsrechte?« Victoria runzelte verwirrt die Stirn. »Was soll das heißen?«
Jetzt wusste Adam, was Cem gemeint hatte, als er sagte, etwas stimme nicht mit dem Mann. Dieser Sam ... er schien etwas im Schilde zu führen.
»In vielen Vampir-Zeremonien bekräftigen wir die Freude am Leben«, erklärte Sam, in seine Lehrerrolle verfallend.
»Ach ja.« Victoria errötete. Offenbar wusste sie bereits, was darunter zu verstehen war.
»Und bei solchen Zeremonien, einer Begräbniszeremonie zum Beispiel, ist sozusagen Damenwahl, um einen menschlichen Ausdruck zu gebrauchen«, sagte Sam süffisant. Cem hatte sich während dieser Worte mehr und mehr versteift, was Sam nicht zu bemerken schien. Oder bemerken wollte.
Wollte der Vampir Cem absichtlich provozieren?, fragte sich Adam. Er war nicht sicher. Es konnte ja sein, dass er nur seiner Aufgabe als Victorias Lehrer nachkam. Sie musste schließlich alles über den Alltag und das Leben eines Vampirs lernen.
»Und der Mann darf Nein sagen? Ist es das, was ihr mit ›Ablehnungsrecht‹ meint?«, erkundigte sich Victoria.
»Fast.« Sam zwinkerte ihr zu. »Die meisten Männer dürfen nämlich nicht Nein sagen. Nur Clanoberhäupter, sonstige Anführer und natürlich die Friedenshüter, wie Adam hier, haben dieses Recht.«
»Und du?«, fragte Victoria ihren Mann.
Jetzt begriff Adam, was vorging. Seine Augen wurden schmal, als er seine Hand auf Sams Schulter fallen ließ.
»Ich glaube, da hat jemand nach Ihnen gerufen, mein Freund.«
Sam nickte grinsend. »Da
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