Unsterbliche Bande
nicht einen Schalter am Bett angebracht? Blöd.«
Rule sah zu der Lampe hoch. Nach einem Moment nickte er. »Du hast recht. Das ist wirklich schlechte Planung.« Er machte eine Pause. »Aber ich kann wieder mit den Zehen wackeln, deshalb bin ich zuversichtlich, bald auch die Herausforderung meistern zu können, mich aufzusetzen. Und dann wird es sicher auch nicht lange dauern, bis ich wieder gehen kann.«
Sie lächelte und schmiegte sich an ihn. Egal wie leidenschaftlich der Sex war, Rule erholte sich schnell und in jeder Hinsicht. Doch die Vorstellung, dass sie ihn für eine kleine Weile außer Gefecht gesetzt hatte, gefiel ihr. »Du hast mich gehört. Vorhin, meine ich.«
»Und du hast mich gehört.«
Er klang, als sei er sich nicht sicher. Sie nickte. »Hast du Angst davor?«
»Ein bisschen. Aber … es war irgendwie auch schön.«
Sie stemmte sich auf den Ellbogen hoch, sodass sie ihn ansehen konnte. »Ich habe das nicht absichtlich gemacht.«
Lächelnd spielte er mit ihren Haaren. »Das weiß ich.«
Seitdem Lily ihre Fähigkeit zur Gedankensprache entdeckt hatte und Unterricht bei Sam nahm, hatte sie schon einige Male aus Versehen mit Rule in Gedanken gesprochen. Das erste Mal passierte es, gleich nachdem sie fast gestorben wäre, dann geschah es zufälliger, in ganz alltäglichen Situationen, zum Beispiel wenn sie versuchte, eine Schale vom obersten Regalbrett in der Küche herunterzunehmen und sich ärgerte, weil sie eigentlich auf dem unteren hätte stehen sollen, an das sie herankam. Damals hatte sie ungefähr so etwas gesagt wie: »Warum kannst du nicht daran denken, die Dinge dorthin zu stellen, wo sie hingehören?«
Doch während des Sex war es noch nie passiert, und sie hatte Rule auch nie »antworten« hören.
Ihn auf diese Weise zu belauschen, war indiskret und seltsam, und so wie er gesagt hatte: irgendwie schön. »Ich habe vergessen, es dir zu erzählen, aber heute Abend dachte ich, ich hätte einen Durchbruch. Drummond sprach während des Brainstormings mit Bergman, und ich sagte ihm, er solle die Klappe halten. In Gedankensprache«, fügte sie erklärend hinzu. »Und er hat mich gehört, und später habe ich es noch einmal gemacht.«
Rules Augenbrauen zogen sich zusammen. Er sagte nichts.
Daraufhin sah sie ihn irritiert an. »Was ist denn?«
»Mir gefällt das nicht, das ist alles. Du und Drummond, ihr scheint richtige Kumpel zu werden.«
Verdutzt schluckte sie ihre erste Antwort herunter. »Du bist eifersüchtig. Auf Al Drummond.«
»Mach dich nicht lächerlich.«
Jemand hier machte sich lächerlich, doch sie glaubte nicht, dass sie es war. »Ich mag ihn nicht einmal, Rule.«
»Du trägst nie die Kette. Du könntest ihn von dir fernhalten, tust es aber nicht. Es geht nicht darum, dass er möglicherweise nützlich sein kann. Da ist doch mehr. Das verstehe ich nicht.«
»Ich weiß selbst nicht, ob ich es verstehe, abgesehen davon, dass er nichts hat, buchstäblich nichts und niemand, nicht einmal einen Körper. Er kann nicht mal eine Briefklammer berühren, geschweige denn bewegen. Und wenn ich ihn daran hindere, sich zu manifestieren, kann er sie nicht mal sehen.«
»Er tut dir leid.«
Ja, er tat ihr leid, was angesichts dessen, was Drummond getan hatte, sonderbar war. Aber das war nicht die ganze Geschichte. »Vielleicht ist es ja reiner Zufall, dass er an mich gebunden ist. Vielleicht hat es auch jemand absichtlich so bestimmt. Ich weiß es nicht, aber so oder so liegt es an mir, das Richtige zu tun. Ich weiß zwar nicht, was es ist, aber ihn daran zu hindern, die blöde Briefklammer zu sehen, kann nicht richtig sein.«
Rule strich ihr mit der Hand über das Haar. »Du versuchst das Richtige zu tun. Das verstehe ich. Trotzdem glaube ich, dass er seine Bindung an dich benutzt. Dich benutzt. Als er noch lebte, war Drummond ein Verräter. Er hat dich verraten und das FBI . Glaubst du wirklich, dass das Sterben ihn so sehr verändert hat?«
»Ich weiß es nicht, aber – Mist!« Sie rollte sich von ihm hinunter und griff nach dem Laken.
Weiß, nebelig und gleich dort am Fuß des Bettes rief Al Drummond aus: »Er kommt!«
27
Al Drummond amüsierte sich prächtig über Lily Yus Gesichtsausdruck, als sie aus dem Bett sprang. Wahrscheinlich dachte sie, er sei die ganze Zeit dabei gewesen, als sie und ihr Wolfsmann eine Nummer schoben. So pervers war er nicht, auch wenn sie es sicher glaubte. Wahrscheinlich würde sie sich für diesen großen Auftritt irgendwann rächen, aber das
Weitere Kostenlose Bücher