Unsterbliche Bande
Plans. Er ist doch nicht so verlässlich, wie Beth glaubt, wurde rückfällig und besäuft sich irgendwo oder schläft seinen Rausch aus.«
»Alkoholismus ist eine heimtückische Krankheit«, stimmte Rule ihr in einem milden Ton zu, der ihr sagte, dass er nicht wirklich ihrer Meinung war. »Aber Beth hat ein gutes Gespür für Menschen.«
»Sie kennt ihn erst seit drei Monaten.«
Rule griff nach ihrer Hand. »Wir haben nicht drei Monate gebraucht.«
»Bei uns war das etwas anderes.« Oje, das klang wenig überzeugend. »Wir hatten das Band der Gefährten.«
»Hm. Das hat uns nur gezwungen, genauer hinzusehen. Vielleicht braucht Beth nicht so viel Nachhilfe wie wir.«
Jetzt musste sie doch grinsen. »Die Frauen in meiner Familie sind ziemlich stur. Die Frage ist: Wo steht die Nadel auf Beths Sturheitsskala? Wenn sie auf ›Sean ist mein Seelenverwandter‹ steht, wird sie alle Anzeichen übersehen, dass er es nicht ist.«
»Wie sehr ist deine Meinung professioneller Skepsis geschuldet, was meinst du? Und wie sehr der Tatsache, dass du nicht willst, dass deine Schwester sich mit Friars Bruder einlässt?«
»Ich habe keine Ahnung. Aber es ist schon ein merkwürdiger Zufall, dass Beth Friars Bruder kennenlernt und sich dazu noch in ihn verliebt.«
»Friar ist ein Mustersichter mit zu viel Macht. Er würde die Kooperation seines Bruders nicht brauchen, um ein Treffen herbeizuführen.«
»Aber warum?« Lily spreizte die Hände. »Worauf ist er aus? Um Beth in seine Gewalt zu bringen und sie gegen mich zu verwenden, ist doch ein solch kompliziertes Szenario gar nicht nötig. Warum also der Aufwand?«
»Ruben sagt, Mustersichter arbeiten immer mit komplexen Verflechtungen. Das bringt ihre Gabe mit sich.«
Lily trommelte wieder mit den Fingern. Wenn man nicht mehr weiterwusste, war es immer ratsam, sich das Ergebnis genauer anzusehen. »Was bringt es ihm, das er nicht auch auf andere Weise hätte erreichen können?«
»Hmm. Nun, wenn uns nicht der Diebstahl des Prototyps nach San Francisco geführt hätte, dann sicher Beths Hilferuf, weil Sean verschwunden ist.«
War es das? Hatte Friar einen Grund, sie hier in San Francisco haben zu wollen? Vielleicht hatte er vor, die Stadt in die Luft zu jagen. Ihr schauderte. Das sähe ihm durchaus ähnlich, aber er würde einen Grund dafür haben. Es gab einfachere Wege, sie und Rule zu töten, als eine Stadt zu zerstören. »Vielleicht geht es ihm nicht darum, uns hier zu haben, sondern uns vom Clangut wegzulocken.«
»Vielleicht.« Rule neigte den Kopf, als lausche er seinen eigenen Gedanken. »Aber das bringe ich nicht mit der Forderung zusammen, die Adam Kings Entführer gestellt hat.«
»Ja.« Wenn Friar auf Cullen aus war, dann war die Entführung seines eigenen Bruders nicht gerade das geeignete Mittel. Sie seufzte. »Ich fühle mich, als würde ich in Klebstoff schwimmen.«
»Was, wenn«, sagte Rule langsam, »er Cullen zu irgendetwas braucht und zugleich uns beide eliminieren will?«
Lilys Magen zog sich zusammen, wie immer, wenn es Klick machte. »Und dazu noch den Prototyp in die Finger bekommen will? Denn das gehört dazu. Es gibt einfachere Wege, unsere Aufmerksamkeit zu erregen, aber … mein Gefühl sagt mir, dass es so ist. Oder dass wir zumindest auf der richtigen Spur sind.«
Sie griff nach ihrem Telefon. Sie musste dringend Ruben sprechen – sie hatte ihm viel zu berichten.
Rule hatte sie in ein piekfeines Hotel in der Innenstadt eingebucht. Ihm war keine Zeit geblieben, nach weniger teuren Ausschau zu halten, und außerdem war er schon einmal dort gewesen, sodass er wusste, dass das Childer über ein anständiges Sicherheitssystem verfügte. Uneinnehmbar sei auch das nicht, sagte er, aber das Hotel beherberge manchmal fremde Staatsoberhäupter und andere um ihre Sicherheit besorgte Persönlichkeiten samt Bodyguards, sodass es darauf mehr Wert legte als eine durchschnittliche Hotelkette.
Die Wachen, die sie zu Jasper begleitet hatten, waren ihnen in zwei Fahrzeugen gefolgt. Sie warteten, bis das erste eingetroffen war, bevor sie dem Hoteldiener den BMW überließen, um dann einen Auftritt – umgeben von Männern mit argwöhnischen Blicken – hinzulegen, der eines Mafiabosses würdig gewesen wäre. Lily zog die Notwendigkeit nicht in Zweifel, denn sollte tatsächlich jemand einen Anschlag geplant haben, wäre dies eine erstklassige Gelegenheit. Im Hotel selbst war die Gefährdung sofort bedeutend geringer, zum einen wegen des Sicherheitssystems
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