Unsterbliche Bande
bevor er die Clanmacht weitergab. Er muss gewollt haben, dass ich Rho werde. Warum ich statt James?«
»Das hat er mir nicht gesagt. Möglicherweise vertraut er dir mehr als James.«
Der junge Mann dachte nach und nickte dann. »James fand Vaters Plan, Informationen zu verkaufen, clever. Ich fand es falsch. Vielleicht hat Isen das vermutet. Oder Fred hat recht, der denkt, Isen hat mich vorgezogen, weil ich nicht sehr intelligent bin, und er glaubt, mich einfach manipulieren zu können.«
»Tony!«, rief der kleine Mann aus. »Das habe ich nicht gesagt!«
»Nein.« Zum ersten Mal lächelte er, ein ganz besonders freundlicher Ausdruck, mit dem er kurz seinen Berater bedachte. »Du hast mich nicht dumm genannt. Das tust du nie. Aber ich denke langsam. Ich bin eine seltsame Wahl für einen Rho. Mein Vater wollte nie, dass ich Rho werde. Mit mir wollte er James sagen, dass er an sich arbeiten müsse. Aber jetzt bin ich Rho, und deshalb habe ich mich
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unterworfen. Jetzt hat Isen nicht mehr das Bedürfnis, mich zu manipulieren, denn er hat die volle Kontrolle, und wir können ganz entspannt miteinander umgehen.«
Rule lachte kurz auf. »Und damit hättest du bewiesen, dass jemand, der langsam denkt, nicht auch dumm sein muss. Möglicherweise hast du meinen Vater gerade übertrumpft, und das können nicht viele von sich sagen.«
Lily war verwirrt. Man musste es ihr wohl angesehen haben, denn Rule wandte sich mit einem leichten Lächeln an sie. »Damit ist Isen für das Wohlergehen der Laban mitverantwortlich, verstehst du. Mehr Einfluss heißt auch mehr Verantwortung für sie.«
»Isen ist ausgefuchst«, sagte Tony, »und sehr clever, deswegen sollte ich lieber nicht versuchen, ihn zu überlisten. Außerdem ist er durch und durch ein Rho. Er wird uns ehrenhaft behandeln.«
Fred schien sich dessen nicht ganz so sicher zu sein wie sein neuer Rho. Doch Lily glaubte, dass Tony recht hatte. Isen war sowohl clever als auch ausgefuchst, aber er war auch ausgesprochen dominant – dominant wie ein Lupus jedenfalls, was bedeutete, dass man nicht nur die Verantwortung übernahm, sondern sich auch um die kümmerte, für die man die Verantwortung trug.
»Wen hast du zum Lu Nuncio der Laban ernannt?«, fragte Rule.
»Meinen Cousin Charlie.«
Rule war überrascht. »Ich hätte erwartet, dass du deinen Vater ernennst.«
Tonys Seufzer war lang und heftig. »Er auch. Er wäre eine sichere Wahl gewesen, aber er war zu lange Rho, um einen guten Lu Nuncio abzugeben, und er hört nicht auf mich. Charlie ist sehr dominant und glaubt, er wäre ein besserer Rho, als ich einer sein werde, aber er hört zu. Er ist nicht so unruhig wie James. Er wird nicht versuchen, mich zu töten. Nicht sofort jedenfalls. Er wird mir eine Chance geben.«
»Du hast viel zu tun in deinem Clan«, sagte Rule. »Ich bin bereit, dir zu helfen, wenn ich kann.«
»Danke. Zuerst aber muss ich tun, was Isen sagt. Er möchte, dass ich euch helfe, den Diebstahl zu untersuchen. Wie kann ich das tun?«
»Fürs Erste, indem du einige Fragen beantwortest«, sagte Lily.
»Okay«, sagte er, sah sie aber kaum an, bevor er sich wieder Rule zuwandte und der Zweifel ihm deutlich ins Gesicht geschrieben stand.
»Lily leitet die Ermittlungen«, sagte Rule. »Sie ist FBI -Agentin.«
»Ich glaube, das wusste ich, aber ich hatte es vergessen.« Zum ersten Mal sah er sie richtig an … irritierend lange. Endlich nickte er. »Ich bin nicht daran gewöhnt, dass Frauen das Sagen haben. Ich weiß, dass das manchmal so ist, aber nicht in den Clans, und in meinem Job sehe ich nicht viele Frauen.«
»Was tust du denn?«
»Überdruckschweißen unter Wasser.«
»Äh … das ist ein sehr spezialisiertes Arbeitsgebiet.«
»Mir gefällt es. Ich beherrsche es auch gut, und die Bezahlung ist ordentlich, aber jetzt werde ich es nicht mehr machen können, weil ich dazu immer viel unterwegs sein muss.«
Rule ergriff das Wort. »Tony ist für ein Unternehmen für Unterwassermontagen und -reparaturen tätig. Sie arbeiten an Schiffen, Bohrinseln und Unterwasserkonstruktionen aller Art. Er war schon überall auf der Welt.«
Lily tauschte einen Blick mit Rule. In dem langsam reagierenden Rho steckte mehr, als auf den ersten Blick erkennbar war. »Ich habe ein paar Fragen an dich. Ist es für dich ein Problem, dass eine Frau Autorität hat?«, fragte sie Tony.
Er überlegte einen Moment. »Ich glaube nicht. Ich muss es mir wohl eine Weile ansehen, denke ich, da ich keine
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