Unsterbliche Bande
bedenkt, dass Sie in der Vergangenheit wegen des Transports illegaler Substanzen verhaftet wurden. Substanzen, die jemand ohne Ihr Wissen in Ihrem Wagen versteckt hatte«, sagte Lily trocken. »Es fällt mir schwer zu glauben, dass Sie nicht das Bedürfnis verspürten, sich zu vergewissern, ob dieser Mann, den Sie nie zuvor getroffen hatten, nicht Ihre Hilfsbereitschaft ausnutzte.«
»Er hatte eine gute Aura. Ich bin mir sicher, dass das alles ganz legal war.«
»Ach, so ist das also. Und dabei interessiert sich das FBI sehr wenig für Schnitzeljagden.«
Carrie Ann lächelte nur.
Lily sah hinunter auf ihre Notizen und fragte sich, wie viel Druck sie noch ausüben sollte. Carrie Ann war Profi. Sie wusste, was sie sagen konnte und was nicht, und die Sache machte ihr viel zu viel Spaß. Sie wusste sehr gut, dass Lily nichts in der Hand hatte, um echte Fakten aus ihr herauszupressen. Sicher, sie hatte ihnen die Beschreibung eines »netten älteren Mannes« gegeben, den sie im Park getroffen hatte, doch das hieß nur, dass der, der zur Übergabe gekommen war, ganz anders aussah als der Typ, den sie beschrieben hatte.
Lily sah von ihren Notizen auf. »Das hat er doch gesagt, nicht wahr? Dass er eine Schnitzeljagd für seine Enkel organisiert. Er bat sie, eine Einkaufstüte von Macy’s am Sockel der holländischen Windmühle abzustellen. Er hat sie ausdrücklich gebeten, nicht hineinzusehen.«
»Das ist richtig.«
»Er war männlich, weiß, ungefähr siebzig. Er hatte weißes Haar, ziemlich dicht für einen Mann seines Alters. Sie erinnern sich nicht, was er anhatte, sind sich aber sicher, dass Sie es bemerkt hätten, wenn er einen Anzug getragen hätte.«
»Niemand trägt doch an einem Samstag im Park Anzüge, oder?«
»Sie glauben, er hat vielleicht eine Brille getragen, aber auch da sind Sie sich nicht sicher. Und sie kennen seinen Namen nicht.«
»Er muss ihn mir genannt haben«, sagte sie entschuldigend, »aber ich erinnere mich nicht mehr daran. Und ich glaube, die Tüte war von Macy’s, aber sie könnte auch von Nordstrom’s gewesen sein. Ich kaufe in beiden Läden ein, und ich bin mir sicher, dass sie von einem der beiden Kaufhäuser war.«
Rule berührte leicht Lilys Arm und stand auf. Sie blickte zu ihm hoch. Er hatte sein Telefon herausgeholt und ging zur Tür des Büros, das ihnen einer der hiesigen Agenten zur Verfügung gestellt hatte. Wieder sah sie Carrie Ann an. »Was, schätzen Sie, hat die Tüte gewogen?«
»Oh, nicht allzu viel. Vielleicht so viel wie zwei oder drei Bücher?«
»Merkwürdig, dass sie den Inhalt gerade mit Gegenständen aus Papier vergleichen. Denn sie enthielt in der Tat Papier.«
»Ach?«, sagte sie höflich, so als fühlte sie sich verpflichtet, Interesse zu zeigen.
»Hmm. Ms Rucker –«
»Bitte nennen Sie mich Carrie Ann«, sagte sie herzlich.
Lily zeigte die Zähne, ein Ausdruck, den sie nicht als Lächeln missverstanden wissen wollte. »Carrie Ann, ich hoffe, Sie durchforsten nun noch einmal sorgfältig Ihr Gedächtnis. So erstaunlich es scheint, doch der nette alte Mann organisierte keine Schnitzeljagd. Wie ich bereits sagte, interessiert sich das FBI nicht für so etwas. Doch wir horchen auf und werden aufmerksam, wenn es um Entführung geht.«
Das leichte Weiten ihrer Augen war Carrie Anns erste Reaktion, die vom Drehbuch abwich. Das Wort gefiel ihr nicht, ganz und gar nicht. Wer immer sie mit der Übergabe beauftragt hatte, hatte ihr nicht zu verstehen gegeben, dass es sich um Lösegeld handeln könnte. Sie hatte sich schnell wieder in der Gewalt, hob die Hand an die Kehle und machte ein unsicheres Gesicht. »Entführung. Oh, sicher nicht. Wenn einer der Enkel dieses netten alten Mannes –«
Die Tür öffnete sich. »Lily«, sagte Rule. »Sie haben versucht, sich Beth zu holen. Ihr geht es gut. Murray nicht. Ich muss schnell dorthin.«
Lily schob ihren Stuhl zurück und fixierte Rucker mit dem Blick. »Sie bleiben hier.«
Eine Sekunde später war sie durch die Tür und rief dem Erstbesten, den sie sah, Befehle zu. »Beschaffen Sie mir einen Fahrer und einen Wagen mit Sirene. Schwarz und Weiß oder FBI – was schneller geht. Der Wagen soll mich auf der Straße erwarten, wenn ich mit dem Aufzug unten ankomme.«
»Was –«
»Tun Sie es. Sofort. Bergman!«
Die Tür am Ende des Flurs öffnete sich. Das Gesicht der Herausblickenden legte sich verärgert in Falten. »Sie haben nach mir gebrüllt?«
»Meine Schwester wurde überfallen. Einer von Rules
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