Unsterbliche Gefährten - das böse Blut
Weg abzuschneiden. Ich ahne, wohin Dennis will.
Wieder renne ich im Höllentempo durch den dunklen Wald. Ich bemerke nicht die Bäume, die an mir vorbeihuschen, nicht die Äste, die mich streifen, ich höre nicht den pfeifenden Wind in meinen Ohren. Ich sehe nur Justins Augen vor mir. Seine Augen die diesen unerträglichen Hass versprüht haben, Hass auf mich.
Ich laufe noch schneller, ich muss sie erwischen.
Da sind sie. Sie sind auf dem Weg zu Dennis’ Haus, das auch mal mein Haus gewesen ist.
Sie wollen ein Blutbad anrichten und Unschuldige ins Verderben stürzen. Ich weiß es.
Sie gehen jetzt im normalen Tempo, sie befinden sich auf einem Weg, unter einer Straßenlaterne kann ich sie beide deutlich sehen.
Ich schieße förmlich aus dem Wald und stehe ihnen in einiger Entfernung gegenüber. Sie bleiben abrupt stehen, wahrscheinlich haben sie nicht mehr mit meinem Auftauchen gerechnet. Oder, das ich es wagen würde sie hier zu stellen, hier wo die Blutsäcke uns beobachten können.
Mich aber interessiert das alles nicht mehr, mein ganzes Denken, mein Fühlen, alles ist mit einem gezielten Schlag zunichte gemacht worden.
Ich gehe weiter im Bogen und versperre ihnen jetzt den Weg. Breitbeinig stelle ich mich vor sie hin, meine Arme im leichten Abstand von meinem Körper, die Handflächen zu ihnen gedreht. Aus meinem Inneren erklingt ein Knurren, ein tiefes, heiseres und drohendes Knurren. Wir sind wie drei Panther, die ihr Revier verteidigen wollen. Drei gelbe Augenpaare fixieren sich, sechs spitze Zähne blitzen im Licht der Straßenlaterne.
„Gib den Weg frei“, Dennis grinst kurz, „Mutter.“
„Auf keinen Fall“, meine Stimme klingt fest, „du willst ein Blutbad anrichten. Du willst deine kleine Schwester und deinen Vater töten, und vielleicht noch mehr. Wofür willst du Rache nehmen? Wofür, Dennis? Frank hat dich verwandelt, er hat dich zu dem gemacht, was du jetzt bist. Die anderen“, ich zeige kurz mit der Hand hinter mich, „die können nichts dafür. Lass sie in Ruhe, halt sie da raus.“ Mein Blick geht zu Justin, der mich mit hasserfüllten Augen immer noch anfunkelt. „Halt Justin da raus.“
Dennis macht einen Schritt auf mich zu, ich registriere es kaum, da ich immer noch in Justins Augen starre.
„Ha!“ Dennis brüllt jetzt. „Justin hat endlich sein wirkliches Wesen gefunden. Du hast es vor ihm versteckt, du hast es in ihm unterdrückt. Aber jetzt ist es frei. Endlich frei.“
Seine Stimme wird leiser und schärfer. „Jetzt kommt er mit mir, wir gehen zur Obrigkeit und werden dem hohen Rat erzählen, was du getan hast. Dann wird man dich jagen und töten.“ Er lächelt kurz, wird dann schlagartig ernst.
„Und jetzt lass uns durch. Sofort!“
Ich schließe kurz die Augen und schlucke einmal. Das darf doch alles nicht wahr sein.
Was habe ich im letzten und in diesem Leben nur angestellt, das ich soviel Hass verdiene? Es müssen schlimme Dinge gewesen sein, sehr schlimme.
Ich blicke Dennis an.
„Nein! Du wirst mich schon umbringen müssen. Ich lasse nicht zu, das du Unschuldige tötest.“
Dennis hebt die Augenbrauen und zuckt mit den Schultern.
„Okay, ganz wie du willst.“ Seine Stimme ist ruhig und gelassen. Er wendet sich zu Justin um.
„Bitte schön, sie gehört dir.“ Dabei vollführt er eine Handbewegung, als wolle er mich Justin auf einem Tablett servieren.
Die beiden tauschen einen schnellen Blick.
„Ich gehe mich in der Zeit amüsieren.“ Dennis rennt los. Genau das will ich aber nicht zulassen. Ich mache eine Bewegung und stelle mich ihm in den Weg.
Genau in diesem Moment pralle ich mit einem Zug zusammen. Jedenfalls ist es ein Gefühl, als wäre es der Schnellzug aus der Stadt gewesen. Ich fliege ein paar Meter rückwärts, knalle auf den Boden und rutsche über die staubige Straße. Um mich herum wirbelt Staub und Dreck hoch, er nimmt mir fast die Sicht. Ich sehe rechts von mir noch Dennis weglaufen. Schnell rappele ich mich auf, ich will ihm hinterher.
Meine Füße machen einen Schritt, dann noch einen. Schon hat mich der Zug erneut erfasst und weg geschleudert. Diesmal pralle ich mit meinem Rücken gegen die Laterne, es gibt ein hohles Boing , und ich rutsche an ihr runter, bis auf den Boden. Die Laterne wackelt und schaukelt bedenklich, ihr Licht flackert kurz, dann geht es aus. Dunkelheit hüllt mich ein, es dauert ein kurzes Blinzeln, bis ich wieder besser sehen kann.
Justin steht mit gesenktem Kopf etwa fünf Meter vor mir. Seine
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