Unsterbliche Gefährten - das böse Blut
den Bentley. Mit einer irren Geschwindigkeit rast er aus der Tiefgarage heraus und über die Straßen.
Ich betrachte mein Bein, im Unterschenkel ist ein Loch, ich kann hindurch gucken und sehe dahinter das Muster des Teppichs, der im Fußraum liegt. Fast möchte ich meinen Finger hindurch stecken, nur um zu sehen, ob es auch die Wirklichkeit ist, oder ob ich das nur wieder phantasiere. Schon strecke ich meine Hand aus
„Lass es, es wird gleich wieder verheilt sein.“ Seine Stimme klingt laut in der Stille des Wagens. Ich schrecke ein bisschen zusammen und sehe ihn an. Sein ganzer Anzug ist hellgrau, vom Betonstaub, das Jackett ist teilweise zerrissen, alles ist besprenkelt mit Blutstropfen. Er blickt stur geradeaus, da bemerke ich die tiefe Wunde, an seiner rechten Halsseite. Erschrocken strecke ich meine Hand danach aus.
„Du bist verletzt, du hättest fast …“, deinen Kopf verloren, denke ich den Satz zu Ende.
Ja, ich weiß, es ist aber nicht passiert, erklingt seine Stimme in meinem Kopf, ich lasse mich wieder in den Sitz fallen. Wohin fahren wir jetzt?, frage ich in Gedanken. Es ist angenehm, nicht reden zu müssen, man könnte sich daran gewöhnen .
Ich bringe dich zu Josh, da bist du erst Mal in Sicherheit. Er kann dich verarzten und eine Runde duschen könnte uns auch nicht schaden, außerdem hat Josh bestimmt ein paar Klamotten für uns übrig. Er macht eine kurze Pause, Dann werden wir weitersehen , er presst die Lippen zusammen und starrt auf die Straße.
Wer war das? Wie ist das passiert? Du hast eben noch gesagt, du hättest sie riechen müssen? In Gedanken bombardiere ich ihn mit meinen Fragen, ich bekomme aber keine Antworten.
In meinem Kopf ist Stille eingetreten. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen soll. Sie fehlt mir, seine tröstliche Stimme. Seufzend presse ich mich in die Polster und atme den köstlichen Duft ein. Den Geruch, der Ähnlichkeit mit seinem hat – eben als er mich im Aufzug küsste.
Wir schießen durch Joshs Eingangstür und das arme Glöckchen klingelt heiser und fast panisch über uns. Ansgar hat seine Arme um mich gelegt und hält mich an seine Seite gepresst, so dass meine Füße den Boden nicht berühren. Wir sind so schnell, das Josh unser Kommen nicht bemerkt hat.
Erst als wir durch die Tür fast in seinen Laden fallen, ruckt sein Kopf hoch. Seine Augen werden größer, als er uns erblickt. „Was ist denn mit euch geschehen?“, fragt er verwundert und kommt auf uns zu.
„Später“, brummt Ansgar, „kümmert euch erst mal um das hier“, dabei zeigt er auf mein Bein. Joshs Augen werden noch größer und er nimmt mich Ansgar ab. Ich lege meinen Arm um seine Schultern und bewege mich hüpfend, auf einem Bein, zu seiner Theke. Dort hebt er mich an den Hüften hoch und setzt mich auf die Glasplatte.
Ansgar geht zu Joshs Kühlschrank und nimmt sich drei Dosen, stellt drei Gläser vor sich und schüttet das Blut hinein. Als er es in der Mikrowelle erwärmt, stützt er seine Hände auf die Kante der Tischplatte und senkt den Kopf zwischen die ausgestreckten Arme. Ein tiefes Schnaufen ist zu hören, dann ein Knurren, dunkel und bedrohlich, mir läuft es kalt den Rücken herunter. Ich blicke Josh an, der noch mit meinem Bein beschäftigt ist. Ich sehe nur, wie er die Augenbrauen zusammenschiebt und leicht den Kopf hin und her bewegt. Also lieber jetzt nichts sagen, heißt das wohl.
„A-a-ah, verdammt, das tut weh“, kreische ich, Josh hält ein etwa drei Zentimeter langes Metallrohr hoch. Er hat es aus dem Loch in meinem Unterschenkel gezogen.
Ich sehe, wie sich die Tür zum Hinterhof schließt, Ansgar ist weg.
„Er gibt sich die Schuld dafür“, sagt Josh leise und verbindet mein Bein mit einem Mullverband.
„Warum nur?“, ich verstehe es nicht, „er kann doch nichts dafür.“
„In seinen Augen wohl schon, er hat sich nicht genug um dich gesorgt, nicht genug aufgepasst. Ich weiß es auch nicht genau, die alten Vampire sind sehr schwer zu durchschauen. Sie haben schon so viel mitgemacht, so viel gesehen und erlebt, das hat sie verändert. Sie sind nicht mehr so wie wir, sie sind anders.“ Josh erhebt sich und betrachtet mein Bein mit dem weißen Verband.
„Das müsste fürs Erste langen, jetzt trinkst du mal was Anständiges, und in ein paar Minuten ist es schon verheilt. Dann kannst du duschen gehen, wenn du willst – im Keller ist eine – neue Klamotten habe ich bestimmt auch noch für dich.“
„Was ist mit Ansgar?“, frage ich
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