Unsterbliche Küsse
wie eine wirkten.
Als sie näher kam, drehte sich Tom um. »Warten Sie draußen, nur ein paar Minuten. Ich lege ihn ins Bett.«
»Ich bleibe.« Sie trat ganz heran. Christopher sah noch schlechter aus, soweit das überhaupt möglich war. Auf seinem Gesicht und dem Hals zeigten sich Flüssigkeitsperlen. Schweiß? »Was bedeutet das?«
Tom machte sich nicht die Mühe, aufzusehen. »Seine Lebensessenz tritt aus. Es dauert nicht mehr lange. Noch vor Sonnenaufgang ist er hinüber.«
Dixie unterdrückte ihre Tränen und fasste Christopher an den Schultern; sie fühlten sich an wie Hühnchenteile. Tot und leblos. »Christopher, tu mir das nicht an. Nicht nach alledem.«
Sein Auge öffnete sich, wie der Verschluss einer Kamera ohne Film. »Dixie, danke.« Er sprach kein Wort, aber sie verstand ihn trotzdem.
Ihre Hände zitterten, als Tom sie von Christopher wegschubste. Von der Seite bemerkte sie, dass seine Finger irgendwie verkrüppelt waren. »Warte bitte eine Minute lang draußen. Ich will ihn zurechtmachen. Es dauerte nicht lange.«
Dixie hätte am liebsten laut losgelacht. Oder geschrien. Im Grunde war das egal. »Warum jetzt noch diskret sein? Ich habe doch ohnehin alles gesehen.« Er schaute sie fragend an. Sie war versucht, ihm diese durchdringenden Augen auszukratzen. »Ich habe ihn gefunden, nackt, und ihn aus der Sonne geschafft. Ich war es auch, die ihn von der Messerklinge befreit hat, unter anderem …«
»Was für eine Klinge?« Er packte sie am Handgelenk, bis es wehtat. Seine Hände mochten vielleicht deformiert sein, aber sie hatten dieselbe Kraft, wie Christopher sie früher einmal gehabt hatte.«
»Die Klinge, die ihm jemand zwischen die Rippen gestoßen hat. Und fragen Sie nicht, wer das war. Er hat es mir nicht gesagt.«
»Wo genau?« Er zog Christophers Sweatshirt hoch.
»Auf der Seite. Sie brauchen ihn nur umzudrehen.« Das tat er mit einer Leichtigkeit, wie man sonst eine Seite umblättert. Dixie schob das Sweatshirt hoch und starrte ungläubig. Es war nur noch ein kleiner Knoten zu sehen und ein Schatten wie ein abklingender blauer Fleck. »Da war eine Wunde, eine riesige klaffende Wunde. Ich hab mir das nicht eingebildet. Ich schwör’s.«
Seine ungelenken Finger strichen über Christophers Seite. »Ich glaub’s Ihnen.«
»Wie kann so was geschehen?«
»Er hat die Wunde geheilt und damit seine letzten Kräfte aufgebraucht.« Sie musste die Lippen mit aller Gewalt zusammenpressen, um nicht hemmungslos loszuheulen. Tom hatte nichts dagegen, als sie ihm half, Christophers Sweatshirt über den Kopf und seine Hose über die kalten Füße zu ziehen. Wenn er auch nur ein Wort gesagt hätte, hätte sie ihm eine gewischt, Vampir hin oder her. Dann zogen sie die Decke bis zu seinem Kinn hoch; das makellos geplättete Leinen ließ Christophers Gesicht noch bleicher erscheinen. Tom sah sie an, der Blick deutlich gemildert. »Im Nachbarzimmer steht ein Bett. Sie brauchen jetzt eine Runde Schlaf. Ich bleibe hier und rufe Sie, wenn es so weit ist.«
»Ich weiche nicht von seiner Seite.« Um ihre Absicht klarzumachen, setzte sie sich demonstrativ auf die Bettkante. Die Matratze senkte sich, als er sich auf der gegenüberliegenden Seite niederließ.
»Es wird nicht lange dauern, seine Kräfte schwinden zusehends.« Er schluckte, als er das sagte, und sie wandte sich zu ihm. Nicht nur sie war untröstlich. »Berichten Sie, was passiert ist.«
Sie fasste den schlimmsten Tag ihres Lebens in einem halben Dutzend knapper Sätze zusammen. »Dabei habe ich geglaubt, wenn ich ihn hierherbringe, ist er gerettet.« Ihre Stimme klang zugleich wütend und enttäuscht.
»Sie haben ihn gerettet – vor einem langsamen, qualvollen Tod. Würden Sie nicht auch lieber in der Anwesenheit von Freunden dahinscheiden, als von der Sonne langsam versengt zu werden?«
Ihr lief es bei der Vorstellung kalt und heiß den Rücken hinunter. »Ich habe immer geglaubt, Vampire seien unsterblich.«
»Hat Ihnen Kit das nicht gesagt?«
»Wir hatten nie die Gelegenheit, darüber zu sprechen.«
Er schüttelte den Kopf, wie um die Tränen beiseite zu drücken. »Nein, das sind wir nicht. Wir befinden uns jenseits von Leben und Tod, aber das bedeutet nicht, dass man uns nicht auslöschen kann. Wenn jemand entschlossen ist und sich auskennt … Bei Kit sind sie auf Nummer sicher gegangen: Sonne und eine schwere Verletzung.«
»Aber ich habe das Messer entfernt, und er hat den ganzen Tag über im Dunkeln geschlafen. Warum hat ihm
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