Unsterbliche Küsse
schüttelte heftig den Kopf. »Alles bloß nicht das. Ich bin Vegetarierin.«
Die merkwürdige Tatsache, dass zwei Vampire eine Vegetarierin zu einem späten Lunch ausführten, blieb unerwähnt. Sie steuerten einen eleganten, sehr teuren Coffee-Shop ganz in der Nähe von Toms Haus an, wo sie sich eine Flasche Rotwein teilten, während Dixie ein Pilzomelett, einen großen Salat sowie Käse und Brot verzehrte.
»Erzähl mir doch bitte so viel wie möglich darüber, wie du Kit gefunden hast«, sagte Justin, als er ihr Wein nachgoss.
Sie kam seiner Bitte nach. Dann fragte er nach dem ummauerten Garten, den sie ihm sofort in allen Einzelheiten beschrieb, inklusive der Steinphalli. Auch alle Details über Christophers Wunde wollte er wissen, die zu beschreiben sie aber keinerlei Mühe hatte; das Bild hatte sich tief in ihr Inneres eingebrannt. »Für mich ist es unvorstellbar, wie alles so schnell verheilen konnte, nachdem das Messer draußen war.«
»Ich würde alles geben, dieses Messer zu sehen«, murmelte Justin.
»Nichts leichter als das.« Sie öffnete ihre Handtasche, die sie zuvor noch aus dem Auto geholt hatte, wühlte in dem Chaos und zog das in einer Sandwichtüte verpackte Teil heraus. »Mehr ist davon nicht übrig. Christopher hat bei dem Versuch, es herauszuziehen, den Griff abgebrochen.«
»Und wie hast du es rausgekriegt?«, fragte Tom, als er es an Justin weiterreichte.
»Eine Zangengeburt.«
Justin hielt die dunkle Klinge zwischen zwei Fingern. »Wie vermutet, ein Druidenmesser. Seit wann sie das wohl besaßen.«
»Wen meinst du denn mit ›sie‹?«, fragte Dixie, bekam aber keine Antwort. »Was ist ein Druidenmesser?«, versuchte sie es abermals.
»Die Originale wurden von den Druiden für Opferzwecke hergestellt, und um die heilige Mistel zu schneiden. Später hat man sie nach dem althergebrachten Verfahren kopiert; diese Dinger verfügen über dieselben Kräfte.« Justin legte es zwischen ihnen auf den Tisch. »Ich glaube, das ist ein Original.«
»Ein Druidenmesser?« Was wusste sie von Druiden? Nicht viel.
Er nickte. »Damit wurde so manches Opfer hingemetzelt, keine Frage, aber zumindest einmal hat seine magische Kraft versagt.« Er steckte es zurück in die Tüte. »Ich werde mich darum kümmern, dass es kein weiteres Opfer mehr finden wird, das verspreche ich euch.«
»Dixie«, sagte Tom, »ich muss mich entschuldigen bei dir wegen des miesen Empfangs gestern Abend. Du hast meinem ältesten Freund das Leben gerettet. Dafür danke ich dir.«
»Er ist auch mein Freund«, erwiderte sie, »auch wenn du mir an Jahren manches voraushast.«
»Ungefähr vierhundert, plus minus ein paar zerquetschte.«
»Genau, das wollte ich dich sowieso schon fragen.« Sie zögerte, fragte sich, ob es bei Vampiren in der Hinsicht eine Art Etikette gäbe. »Du bist Tom, um genau zu sein Thomas Kyd, ein Zeitgenosse von Christopher, stimmt’s?«
»Stimmt genau. Kit verstarb fünfzehn Monate vor mir. Unser beider Tod wurde immer wieder in Zusammenhang gebracht – beide Opfer der Politik des Hauses Tudor –, aber wir waren Freunde, wohnten sogar zusammen, und er hat mich verwandelt. Seitdem sind wir Freunde geblieben.«
Sie wandte sich an Justin. »Und du hast Christopher zum Vampir gemacht?«
»Ich habe ihn nach seiner Ermordung verwandelt, so wie Kit Tom nach seinem Tod verwandelt hat.«
»Und wie bist du zum Vampir geworden?«
»Eine Druidenpriesterin hat mich verwandelt, nachdem mir von einer Brigantine aus ein Pfeil in die Kehle geschossen wurde. Heutzutage hätte man eine derartige Verletzung schnell im Griff, aber damals schwamm ich in meinem eigenen Blut, und Gwyltha hat mich gefunden. Bis dahin hatte sie noch nie einen Römer verwandelt.« Er hielt inne, und vor seinem geistigen Auge zogen die Jahrhunderte vorbei. »Ich war jahrelang der einzige nicht druidische Wiedergänger.«
»Es ging also mit den Druiden los?« Das stimmte nicht mit dem überein, was sie aus Romanen kannte.
Er schüttelte den Kopf. »Es gibt noch weitaus ältere Kolonien als die der Druiden. Manche gehen bis auf das alte Babylon zurück.« Und sie hatte immer geglaubt, in Transsylvanien hätte alles angefangen.
Sie warf einen Blick auf die anderen Gäste im Coffee-Shop; in einer Ecke lehnte eng aneinandergeschmiegt ein Pärchen, am Nachbartisch tagte ein Damenkränzchen und etwas weiter weg konspirierten drei Männer im Nadelstreifenanzug. Dixie hätte Haus und Haus darauf verwettet, dass sie alle auf der Stelle tot
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