Unsterbliche Leidenschaft
Doppeltür aus Eiche nicht mehr. Stattdessen war da eine Einzeltür mit provisorisch reparierter Sperrholzfüllung, und der dunkelrote Orientteppich von der Treppe fehlte ganz.
»Was ist passiert?«, fragte Angela an der Rezeption. Dort saß nicht Sarah, sondern ein dünnes Mädchen aus dem rückwärtigen Büro.
»Wir hatten heute Morgen einen traurigen Zwischenfall«, antwortete sie. »Der Betrieb läuft unverändert weiter, glauben Sie mir. Werden Sie zum Abendessen hier sein?«
Das Nein lag ihr schon auf der Zunge, aber Tom sagte: »Eventuell hätten wir gerne Zimmerservice. Wäre das ein Problem?«
Das Mädchen überlegte kurz. »Nein, ich glaube nicht. Normalerweise bieten wir den Service nicht an, aber wenn Sie Ihre Bestellung rechtzeitig abgeben, müsste es machbar sein.«
»Lizzie! Endlich!«
Angela war sich nicht sicher, ob sie die Stimme tatsächlich oder nur im Geiste gehört hatte, aber sie kannte sie. Sie drehte sich auf dem Absatz um, noch während Tom die Bedingungen für den Zimmerservice aushandelte. »Laran!«
Hätte sie die geringsten Zweifel gehabt, dann wären diese in dem Moment geschwunden, als sie ihn da stehen sah: abstoßende, beinahe rote Augen und ein Lächeln so giftig wie das einer Kobra. »Endlich.«
Laran stürzte auf sie zu und packte sie, wich aber im selben Moment zurück. »Silber! Schon wieder! Verdammt!«
Der erste Punkt für Etienne! Hätte Laran doch nur bis nach der Zeremonie heute Abend gewartet. Tom und Gwyltha bezogen neben ihr Stellung.
»Ist er das?«, fragte Tom.
»Ja.« Während sie sprach, umschloss ihre Hand das Steinmesser in ihrer Tasche. Es musste gesegnet und neu geweiht werden, aber für derlei Feinheiten blieb nun keine Zeit.
Laran packte das Mädchen an der Rezeption; ihr Schreien verstummte, als er ihr die Hand auf den Mund presste und ihren Kopf zur Seite drückte. »Nimm die Kette ab, Lizzie, oder ich reiß ihr den Kopf ab.« Das Mädchen winselte vor Panik, was Laran zu gefallen schien. »Nein, ihr alle, jeder legt dieses Silber ab und schmeißt es weg.«
Das Messer fest in der Hand, setzte Angela nach vorne und stieß ihm die Klinge seitlich in die Brust.
Aus Schmerz und Enttäuschung zugleich schrie Laran laut hallend auf. Die arme Kleine plumpste, gnädigerweise von einer Ohnmacht getroffen, zu Boden. Als Laran zu einem Schlag gegen Angela ausholte, hob sie den Arm und stach noch einmal zu. Er knurrte bissig, und ein paar schreckliche Sekunden lang begegnete sie seinem Blick. Ein Sturzbach von Erinnerungen brach über sie herein – der Abend in Heathers Haus, die panikartige Flucht im Anschluss daran und schließlich ihr ängstliches Kauern im Park. Sie zog das Messer heraus, bereit, ein drittes Mal zuzustoßen, aber Laran hatte bereits den Rückzug angetreten.
Sie hörte Tom nur noch »Angela!« rufen, als sie ein schwarzer Nebel verschluckte.
21
Sie fürchtete sich so sehr, dass sie die Augen nicht zu öffnen wagte. Was, wenn Laran sie verschleppt hatte? Und waren die schrecklichen Erinnerungen, die ihr durch den Kopf geisterten, tatsächlich wahr? Selbst wenn, so konnte sie doch nichts machen. Nicht jetzt. Mit geschlossenen Augen konzentrierte sich Angela auf ihre Umgebung. Sie lag auf einem Bett. Sie roch den Duft frischer Wäsche, spürte sie aber kaum. Sie war komplett angezogen und lebendig. So lebendig zumindest, wie ein Ghul es sein konnte. Und sie war sich bewusst, dass sie ein Ghul war. Das war immerhin etwas. Sie bemerkte Lavendelduft – Toms Geschenk von gestern. Sie war in ihrem Hotelzimmer!
Angela setzte sich ruckartig auf und bemerkte zu ihrer Befriedigung, dass die stets gefasste Gwyltha mit Erstaunen reagierte. Aber auch erleichtert. »Tom, ihr geht es gut!«
Tom erschien auf der anderen Seite des Betts, und Angela sank in seine Arme.
»Abel sei Dank, es geht dir gut«, sagte er kaum hörbar. Sie wollte sich in seinen Armen verlieren und die Welt ausblenden, beließ es aber dabei, ihn zu küssen. Schließlich befanden sie sich, davon war auszugehen, nach wie vor in der Bredouille.
»Wie könnte es anders sein? Du bist bei mir.« Sie kuschelte sich an, den Kopf auf seine Schulter gelegt. »Habe ich Laran erwischt?«
»Du hast ihn zweimal erwischt«, erwiderte Tom, »aber leider nicht für immer.«
»Ah! Verwundet ward die Schlange, nicht getötet.«
Tom zuckte zusammen. »Wenn du schon zitierst, könntest du wenigstens eines meiner Stücke auswählen, oder muss es unbedingt Shakespeare sein?«
Dies war der
Weitere Kostenlose Bücher