Unsterbliche Leidenschaft
letzten Monaten eine Menge für ihn getan. Da wollte er sich wohl revanchieren.«
Ja, Sam war ein so ehrenwerter Sohn, wie ihn sich ein Vater nur wünschen konnte. Ein wahrhaft nobles Angebot, aber … »Eines musst du noch tun, Stella.«
»Was denn?«
»Du musst seine Erinnerungen an den heutigen Abend tilgen. Er ist noch ein Kind, Stella. Oder willst du wirklich, dass er sich ein Leben lang an dieses Bild erinnert, Gwyltha und Toni, schwer verletzt von dieser gemeinen Kreatur und blutüberströmt? Ganz zu schweigen von mir, mit aufgeschlitzter Kehle.«
»Du befürchtest noch immer, er könnte euer Geheimversteck verraten, nicht wahr?«
Das war unfair, aber verständlich. »Ich traue ihm sehr wohl, Stella. Er kennt ja auch schon das Geheimnis meiner und deiner Existenz, und ich glaube, auch unsere Zufluchtsstätte würde er nie verraten. Aber willst du wirklich, dass er nachts mit Erinnerungen hochschreckt, die der Stoff für Albträume sind?«
»Natürlich nicht. Aber wenn wir ihm die nehmen, dann verschwindet auch sein Wissen darum, was er für dich getan hat.«
»Das ja, aber ich weiß bis in alle Ewigkeit darum.« Er legte einen Arm um sie. »Ich wünschte, ich hätte niemals Blut von ihm nehmen müssen.«
»Es war Sams freie Entscheidung. Wenn du sein Angebot nicht angenommen hättest, wärst du gestorben. So wie ich jetzt tot unter der Erde liegen würde, wenn du mich nicht verwandelt hättest. Es gab keine andere Möglichkeit, und Sam wusste das.«
»Aber er muss es nicht mehr wissen, wenn er aufwacht. Das kannst du doch nachvollziehen, oder?«
Sie nickte, die Augen auf ihren schlafenden Sohn gerichtet. Justin sah ihn ebenfalls an. Kleine Sterbliche waren so fragil, so verletzlich und so lebendig. Justin musste an seinen Halbbruder Lucius denken. Er war ungefähr in diesem Alter, als er ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Lucius war schon lange tot, sogar seine Knochen mittlerweile wohl längst zu Staub zerfallen. Und Sam … Stella würde zusehen müssen, wie er immer älter wurde, bis er schließlich starb. Aber bis dahin dauerte es noch Jahrzehnte. Erst einmal war er noch im Knabenalter und auf ihre Hilfe angewiesen. »Es wird nicht unbedingt leichter, Liebes, und wenn du noch so lange zögerst.«
»Ich weiß, es ist nur … Verdammt! Du wirst es tun! Du bist auf dem Gebiet der Experte.«
»Ich bin noch geschwächt, und du bist seine Mutter.«
»Ja! Das bin ich! Ich habe aber auch gesehen, was dieser Vampir Jane und Angela angetan hat. Was ist, wenn ich pfusche und es Sam hinterher so geht wie den beiden?«
Er schloss sie in die Arme, in der Hoffnung, ihr dadurch die Angst zu nehmen. »Das war ein tollwütiges Untier und nur auf Zerstörung bedacht. Glaub mir. Letzte Nacht habe ich ihn kennengelernt.«
»Der war es also!« Sie sah aus, als wäre sie bereit, gegen eine ganze Legion von Schurkenvampiren in den Kampf zu ziehen.
»Wir haben allen Grund, das anzunehmen. Darum die Versammlung zurzeit unten. Du musst es tun. Jetzt. Du liebst ihn und wirst ihm schon deshalb nicht schaden. Geh nur ganz leicht über die Oberfläche seines Bewusstseins hinweg, so wie ich dir beigebracht habe, es nach dem Saugen zu tun. Nimm ihm die Erinnerung an unsere Zufluchtsstätte, an den Übergriff auf mich und an sein tapferes Einschreiten. Das ist alles.«
Noch immer zögernd, willigte Stella ein, und Sekunden später hatte sie die entsprechenden Erinnerungen auch schon abgeschöpft. Dann gingen sie gemeinsam nach unten und ließen Sam schlafend zurück.
»Würdest du mir jetzt bitte sagen, was hier vorgeht, und zwar in allen Einzelheiten?«, fragte Stella, als sie unten an der Treppe angekommen waren. »Und was hat es damit auf sich, dass es sich um denselben Vampir handelt, der Jane und Angela Gewalt angetan hat? Kam dir nie in den Sinn, dass mich das alles interessieren könnte?«
»Natürlich, und gerade habe ich dir doch davon erzählt, Stella. Davor hatten wir kaum eine Gelegenheit, uns zu unterhalten.« Sie gab ihm recht und nickte. »Höchste Zeit, das jetzt nachzuholen. Die anderen warten in der Küche. Wir müssen weitere Schritte planen und uns auf den nächsten Angriff vorbereiten.«
16
Man hatte das nicht jeden Tag, dass sich Vampire am häuslichen Küchentisch drängten. Während Justin Sam seine Transfusion gegeben hatte, hatten sich Gwyltha und Antonia an diversen Blutbeuteln gütlich getan. Die Reste ihres Mahls türmten sich in der Mitte des penibel gescheuerten Kieferntisches. Na wenn
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