Unsterbliche Lust
auf eine beinahe perverse Weise fühlte sie Enttäuschung, als Xenia mit den Fingern ein Stück Kuchen vom Teller aufhob und zum Mund führte. Sie tat gerade so, als hätte sie eine solche Entscheidung von Sasha erwartet.
«Willst du mir auch sagen, warum?» Xenia stellte die Frage, ohne allzu viel Neugierde in der Stimme. Sie tupfte sich die Mundwinkel mit der Serviette ab und vermittelte den Eindruck, als hätte Sasha ihr gerade die denkbar vernünftigste Entscheidung mitgeteilt.
Sasha atmete tief durch, schloss die Augen und sprach es aus. «Ich will zurück in das Londoner Hotel. Ich will herausfinden, ob ich noch etwas … tun kann … Ich weiß nicht, was …», fügte sie lahm hinzu.
«Aber du musst doch eine Vorstellung davon haben, was du herausfinden möchtest», sagte Xenia leise, eine Augenbraue nur ein wenig gehoben. «Ich meine, weißt du wenigstens, für wen du etwas tun willst?»
Sasha sah sie zornig an. «Das weißt du genau», fuhr sie die Freundin an, aber dann hatte sie sich wieder gefasst. «Ich will nicht, dass du mich fühlen lässt, wie närrisch ich mich in deinen Augen verhalte. Es sind in den letzten Wochen zu viele geheimnisvolle Dinge geschehen, und ich möchte zum Ursprung des Geheimnisses zurück. Vielleicht kann ich mehr darüber erfahren, oder vielleicht wird mir klar, was ich tun kann, um dem armen Gespenst seine Ruhe zu geben – und um mir Klarheit zu verschaffen.»
Xenia nickte, sagte aber nichts.
Sashas Lippen zitterten. Sie sah die Freundin beinaheflehendlich an. «Gib dir einen Ruck, Xenia. Ich weiß, dass die ganze Geschichte ein bisschen verrückt klingt, aber ich könnte deine Unterstützung gebrauchen. Ich will ein oder zwei Wochen in England bleiben und versuchen, etwas mehr über Lady Amelia zu erfahren. Vielleicht finde ich auch einen Menschen, an den ich mich wenden kann, irgendeinen Angehörigen oder sonst jemanden, für den das nicht fremd ist, was mir widerfährt. Ich will wissen, ob ich wirklich diese Gespenster gesehen und gehört habe. Hänge ich mittendrin in dieser jahrhundertealten Liebesaffäre? Oder bilde ich mir das alles nur ein und leide an Halluzinationen?»
Sie ließ Xenias Blick nicht los, denn sie wollte die Versicherung der Freundin sehen, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte – und diesmal wurde sie nicht enttäuscht.
Xenia streckte den Arm über den Tisch und drückte Sashas Hand. «Ich habe es dir schon gesagt», erinnerte sie Sasha, «natürlich unterstütze ich dich durch die ganze Geschichte hindurch, auch wenn ich deine Begeisterung nicht teile.» Sie lächelte mit sanfter Nachsicht und fuhr rasch fort, ehe Sasha sie unterbrechen konnte: «Wenn du nach England gehen willst, um ein paar Geheimnisse zu entschlüsseln, dann gehe, Mädchen. Vielleicht hilft es dir, wieder besser zu schlafen. Ich wünschte nur», fügte sie hinzu und strich mit der Hand über Sashas Haare, «dass ich selbst Urlaub nehmen und dich begleiten könnte. Ich bin fast ebenso neugierig wie du, ob du noch etwas über diese beiden toten Menschen herausfinden kannst.»
Sasha sah die Freundin hoffnungsvoll an. «Ja, warum kommst du nicht einfach mit? Wir könnten so viel Spaßhaben! Und ich könnte deinen Rat wirklich gut gebrauchen.»
Xenia schüttelte lächelnd den Kopf. «Es tut mir leid», sagte sie, und ihre Hand drückte wieder die Hand der Freundin, «aber das ist deine Sache. Was auch immer du drüben suchst, du musst es allein suchen. Ich würde dir nur im Weg stehen.»
«Ich weiß», murmelte Sasha dumpf. «Du hast wie immer recht.» Sie schaute auf die Uhr. «Oh, ich muss laufen, ich habe mich schon um zehn Minuten verspätet.» Sie wollte die Rechnung mit zur Kasse nehmen, aber Xenia hatte vor ihr schon danach gegriffen.
«Ich bin dran», sagte Xenia lächelnd, aber bestimmt. «Du hast das letzte Mal bezahlt. Und wer weiß», fügte sie grinsend hinzu, «vielleicht kannst du dich revanchieren, indem du mir einen kräftigen, ausdauernden Engländer mitbringst, aber einen echten, nicht so ein flatterhaftes Gespenst.»
Sasha hastete zurück zum Büro und fragte sich, wie sie Valerie erklären sollte, warum sie mitten in einer neuen Kampagne plötzlich ein paar Wochen Urlaub haben wollte. Ihr gingen verschiedene Szenarien durch den Kopf, aber sie verwarf sie alle wieder.
Das ganze Wochenende hatte sie darüber nachgedacht, seit ihrer Begegnung mit den beiden geheimnisvollen Männern in ihrem Büro, und Sasha war jetzt sicher,
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