Unsterbliches Verlangen
Bewegungen, und er fragte sich, warum er überhaupt hier war.
Weil sie lächelte, als sie ihm eine Tasse hinschob. »Bitteschön.« Sie rührte ihren eigenen Tee und sah ihn, als sie die Tasse zum Mund führte, über den Rand hinweg an. »Prost!«
Er wollte sich bedanken, weil sie so freundlich und ausgesprochen nett zu ihm war, brachte aber kein Wort über die Lippen. Stattdessen nahm er nur ein paar Schlucke siedend heißen Tees und stellte die Tasse wieder ab. »Tut mir leid, ich bin Moment kein besonders guter Gesellschafter.« Wenn er denn je einer gewesen war.
»Sie sind völlig fertig und verunsichert, deshalb«, erwiderte sie und nahm wieder einen Schluck, wobei sie ihm leicht zulächelte. »Und das liegt an Bringham. Das weiß ich. Ich bleibe nach Möglichkeit nie länger als ein, zwei Wochen.«
»Oh, nein! Das allein ist es nicht; es ist …« Er redete sich alles von der Seele. Dass seine Mutter davongelaufen und so früh gestorben war, das Internat, seine jüngsten Zweifel und der schreckliche Fund im Garten von Orchard House. Währenddessen wurde ihr Tee kalt, und auch ihr Essen hatten sie kaum bemerkt.
»Du lieber Gott!«, murmelte Judy. »Kein Wunder, dass Sie mit den Nerven am Ende sind. Wenn ich das durchgemacht hätte, wäre ich reif für die Psychiatrie.«
»Das bin ich auch.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht. Sie sind völlig klar im Kopf.«
»Ich fühl mich aber nicht so.«
»Kein Wunder, bei dem Stress, und wenn man bedenkt, was Sie alles durchgemacht haben.«
Im Verlauf des Gesprächs hatte sie seine Hände genommen. Er hielt ihre Finger umfasst. »Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll.«
»Rede mit der Polizei.«
Als wäre das so einfach. »Was, wenn ich mich täusche?«
»Was soll schon sein? Wenn dein Verdacht zutrifft, kommt die Polizei der Aufklärung des Falles sehr viel näher, und wenn du dich irrst, weißt du wenigstens, dass die Tote nicht deine Mutter ist. Ob so oder so, du kannst davon nur profitieren.«
»Kann sein …«
Sie wollte nicht zulassen, dass er es weiter aufschob. »Hast du ein Foto von ihr?«
»Zu Hause hab ich einige: Hochzeitsfotos und Fotos von uns beiden mit meinem Onkel.« Sogar ein paar mit dem Vater, an den er sich nicht mehr erinnern konnte.
»Lass uns doch mit einem davon zur Polizei gehen, um zu sehen, was passiert.«
»Das bringt nicht viel. Die Leiche hat doch Jahre dort gelegen.« Er schauderte bei dem Gedanken,
»James, du täuschst dich«, beharrte Judy. »Heutzutage kann man Gesichter anhand des Schädels rekonstruieren. Und es gibt die Möglichkeit eines DNA-Abgleichs und noch viel mehr.«
Natürlich! »Also versuchen wir’s!« Sie machte ihm regelrecht Feuer unter dem Hintern. »Lass uns zu diesem Inspector gehen.«
In Judys klapprigem, kleinem Toyota fuhren sie auf die Grange Farm und rannten im Laufschritt hinein.
»Hier wohnst du?«, fragte Judy und ließ ihre Blicke durch die riesige Eingangshalle schweifen.
»Ja, komm rein«, sagte er, nahm sie an der Hand und zog sie in die Bibliothek.
Sie sah sich weiter fasziniert um, während er einige Fotos aus einem Album riss und ein Bild in einem silbernen Rahmen einsteckte. »Das ist dein Haus?«, fragte sie ein wenig ungläubig.
Er nahm es ihr nicht übel. »Nein. Es gehört meinem Onkel. Ich bin sein Treuhänder und Verwalter.«
»Wo ist er denn?«
Ihm stockte der Atem. Da eine Lüge nicht infrage kam, holte er tief Luft. »In Broadmoor.« Sie würde auf dem Absatz kehrtmachen und das Haus verlassen. Das wusste er.
»Großer Gott!«, sagte sie. »Kein Wunder, dass du gestresst bist, wenn du dich um alles hier kümmern musst.«
Zum Glück fragte sie erst gar nicht, wie es dazu gekommen war. Offenbar hatte sie sehr schnell eins und eins zusammengezählt. »Das meiste regelt die Bank. Ich leite die Papiere und Rechnungen weiter und lasse den Rasen regelmäßig mähen.«
»Es ist mir trotzdem ein Rätsel, wie du das alles schaffst. Und arbeiten gehst du obendrein. Komm, lass uns sehen, ob du nicht wenigstens eine Sorge loswirst. Pack die Fotos ein, und dann lass uns fahren.«
Sie fuhren in Richtung Leatherhead.
James beneidete Judy um ihre Selbstsicherheit und Zuversicht. »Was machen wir, wenn er nicht da ist?«, fragte er.
»Dann hinterlassen wir ihm eine Nachricht, dass du wichtige Informationen zum Mordfall Bringham hast.«
Aber traf das wirklich zu? Es gab nur einen Weg, es herauszufinden.
»Es ist sinnlos. Du bist zu nichts zu gebrauchen«,
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