Unsterbliches Verlangen
fragte sich, was eigentlich mit ihr vorging.
Die Frage war schnell beantwortet – sie rannte einem Sterblichen hinterher. Aber was für einem Sterblichen! Seit Jahrhunderten hatte sie nicht mehr solche Gefühle gehabt. Dabei war es eine angenehme Erfahrung, bei aller Verwirrung und allem Kuddelmuddel. Sie grinste und gluckste laut. Bloß gut, dass sie gerade niemand sehen konnte. Sie ließ den Motor an und fuhr in Richtung Dorfwiese – zu dem Mann, der ihr nicht aus dem Kopf gehen wollte.
Er war nicht zu Hause!
Auch recht. Sie konnte nicht von ihm erwarten, dass er zu Hause saß und Däumchen drehte und auf sie wartete. Aber eine Vampirfrau durfte doch träumen, oder nicht? Seine Behausung war leer, und das schon seit Stunden. Aus dem Schuppen mit dem Brennofen drang Wärme herüber, aber mehr war da nicht.
Sicher? Es war heller Tag, und sie stand im gleißenden Licht der Sonne, aber in ihrem Alter und auf heimatlichem Boden dürfte ihr das nichts ausmachen. Woher kam dann dieses Gefühl von Unsicherheit? Das war das falsche Wort. Es lag was in der Luft, und sie spürte eine Kraft in ihrer Nähe. Seit Jahrhunderten hatte sie nicht mehr erlebt, dass die Natur sich wandelte. Es regte sich ein alter Zauber. Die Wälder und der Boden unter ihren Füßen waren von einer Kraft durchwirkt. Dasselbe hatte sie schon letzte Nacht gespürt, aber nicht richtig erkannt.
Eine magische Kraft. Wie war das zu erklären?
Verfügten diese Hexen über mehr Kräfte, als sie es geahnt hatten? Nein. Das war keine sterbliche Magie. Das waren urzeitliche Kräfte. Sie spürte es, und dann war es vorbei, verflogen wie eine Brise voller Blütenduft.
Sie lächelte grimmig. Michael Langton spielte mit der Gefahr. Oder vielleicht spielte die Gefahr auch mit ihm.
Sie drehte sich ruckartig um, als sie Leben hinter sich spürte. Da war er, kam einfach so, mir nichts, dir nichts aus dem Wald geschritten. »Du bist also wiedergekommen.«
Sehr scharfsinnig! Oh, sie wurde schnippisch. »Ich habe keine Telefonnummer von dir.«
Er hob eine Augenbraue und grinste. »Wie konnte ich nur. Nur gut, dass du wusstest, wo du mich findest.«
Nun ging er ihr auf die Nerven. »Ich wollte mit dir reden.«
»Reden?« Bei diesem selbstgefälligen, arroganten Machogrinsen hätte sie am liebsten auf dem Absatz kehrtgemacht.
Machte sie aber nicht. Abel allein wusste, warum nicht. Aber warum sollte sie auch einen Rückzieher machen? Sie war eine Vampirin. Mächtig. Stark und, verflixt noch mal, von einem so schlimmen körperlichen Verlangen getrieben, dass sie ihn am liebsten mit einem Zauber belegt und ins Haus geschleppt hätte – oder vielleicht hätte sie auf letzteren Schritt lieber gleich ganz verzichtet. Nichts gegen Sex unter freiem Himmel. »Wir müssen uns darüber unterhalten, was du mir bieten kannst, und was ich gerne hätte.« Abel hole sie! Hatte sie das wirklich gesagt?
Ja! Er zog eine hellblonde Augenbraue hoch, indem er einen Schritt näher trat. »Vasen und Töpferwaren mit Engobenmalerei vielleicht.«
Plötzlich sah sie, dass seine Füße nackt waren, und war geschockt. Dieser Mann ging barfuß im Wald spazieren! »Nein. Keine Vasen und auch keine Töpfereien mit Engobenmalerei. Ich bin letzte Nacht zu früh gegangen.«
Seine Augen leuchteten. Beide Brauen gingen hoch. »Ich habe dich gebeten zu bleiben.«
»Mein Fehler, dass ich nicht geblieben bin.«
»Und mein Fehler, dass ich dich gehen ließ.« Michael kam näher. Warum war er nur so dumm gewesen? Er hätte sie nicht gehen lassen dürfen, hätte sie festhalten, ans Bett binden müssen. Sie hatte den ganzen Tag seine Gedanken besetzt gehalten, ihn abgelenkt. Diese Wahnsinnsfrau, die darüber witzelte, ein Vampir zu sein. Dann schon eher eine Sirene! Die seinen Verstand benebelt, ihn besessen macht. »Ich bin dir bis nach Hause gefolgt.«
»Ich weiß.« – »Wo bist du hingegangen?« – »Nach Hause. Ich kenne einen schnellen Weg.«
Dieser blöde Laster! Er hätte sie in Pumagestalt verfolgen müssen. »Beim nächsten Mal denk ich dran. Aber wo du jetzt schon mal da bist.« Er nahm ihre Hand. Sie war so kühl, aber er würde sie in kürzester Zeit wärmen und erregen. Er konnte ihr Verlangen riechen. Komplett verrückt, was er da machte. All die Jahre hatte er nur in der Zurückgezogenheit überlebt. Aber zum Teufel mit aller Vorsicht! Er verschränkte seine Finger mit ihren und gab seinem Verlangen nach, nahm sie in die Arme und trug sie ins Haus.
Sie zeigte keinerlei
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