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Unsterbliches Verlangen

Unsterbliches Verlangen

Titel: Unsterbliches Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katryn Smith
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sie nicht ertragen konnte, war das Mitleid in ihren Blicken.
    Auch mit ihren Schwestern zusammen zu sein wurde zusehends schwieriger. Sie waren ausnahmslos so niedergeschlagen, wenn sie Pru sahen, dass es ihre eigene Stimmung gleich mit drückte. Einzig Chapel schaffte es, sie anzusehen, ohne allzu traurig zu wirken. Er schien entschlossen, die ihnen verbleibende Zeit zu genießen.
    Und sie genoss sie tatsächlich. Tags zuvor erst hatte sich eine seltsame Ruhe über ihr Gemüt gelegt. Plötzlich kam ihr der Gedanke an den Tod nicht mehr so sehr schrecklich vor. Zwar schmerzte es sie nach wie vor, alle zurückzulassen, die sie liebte, aber sie fürchtete sich nicht mehr davor.
    Sie war immer noch nicht bereit, doch wenigstens hatte sie keine Angst.
    Nun blickte sie auf ihre Hand hinab, die den Schreiber hielt. Sie war bleich und so abgemagert, dass die Knochen deutlich vortraten. Ihr ganzer Körper sah hager und eingefallen aus, da sie in letzter Zeit stark abgenommen hatte. Außer Tee und Toast bekam sie kaum noch etwas hinunter. Ihr Bauch war der einzige Körperteil, der aussah, als gehörte er einer fülligeren Person, doch das lag ausschließlich am Krebs.
    Vor allem war sie entsetzlich müde. Sie wollte einschlafen und nie wieder aufwachen, was la auch bald genug geschehen würde. Vorher allerdings sollte sie ihre Angelegenheiten regeln. Zum Glück war das nicht viel.
    Draußen wurde es dunkel. Bald würde das Dienstmädchen ihr Abendessen bringen. Ihre Familie würde kommen, um bei ihr zu sein, während sie aß. Vielleicht kam Chapel ebenfalls, wenn er schon auf war. Oft ging er jedoch auch nach dem Aufstehen aus, um sich zu nähren. Sie fragte ihn nie, wohin er ging oder an wem er sich nährte, weil sie es eigentlich gar nicht wissen wollte. Seit längerem weigerte er sich jedenfalls, Blut von ihr zu nehmen, weil er sich sorgte, sie zu schwächen. Er schien nicht zu verstehen, dass es ihr gleichsam wie Untreue vorkam, wenn er von jemand anders trank. Natürlich war ihr klar, wie dumm das von ihr war, aber sie konnte nun einmal nicht anders.
    Und wie nutzlos sie war! Sie konnte ihrem Liebsten nicht einmal geben, was er brauchte, um sich am Leben zu erhalten.
    Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihrem Selbstmitleid. Es war Chapel, der frisch und schön in Hemdsärmeln dastand. Seine Krawatte und seinen Abendgehrock trug er über dem Arm.
    »Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie.
    Lächelnd kam er herein und schloss die Tür hinter sich. »Wir dachten, du möchtest heute Abend vielleicht unten essen.«
    Mühsam richtete sie sich im Bett auf. »Wir?«
    »Deine Familie und ich.«
    »Nun, >wir< trifft es wohl.« Sie fuhr sich mit der Hand durchs unfrisierte Haar. »Ich würde gern nach unten gehen, aber ich sehe grauenvoll aus.«
    Er lächelte noch mehr. »Und genau deshalb bin ich hier. Ich werde mich um dein Bad kümmern.«
    Sie starrte ihn verwundert an. »Weiß mein Vater davon?«
    »Selbstverständlich nicht«, erwiderte er entsetzt, als könnte ihr Vater ihm tatsächlich gefährlich werden. »Er glaubt, ich würde dich erst später holen. Ich lasse dann einmal das Wasser ein.«
    »Chapel ...« Sie verstummte, weil sie eine ungeheure Scham überkam.
    Sogleich wurde er ernster. »Was ist?«
    »Ich ... ich halte es nicht für eine gute Idee, wenn du mir beim Baden hilfst.«
    »Warum nicht? Glaub mir, ich bin richtig gut darin, Leute zu baden. Schließlich bade ich mich selbst auch regelmäßig.«
    Er gab sich ihretwegen Mühe, witzig zu sein. Das wusste sie, denn er war nicht besonders gut darin. »Ich möchte nicht, dass du mich nackt siehst.«
    Vor lauter Verwirrung errötete er. »Aber ich habe dich schon nackt gesehen - mehrmals sogar.«
    »Nicht so.«
    Seufzend warf er seinen Gehrock und seine Krawatte über den Stuhl an ihrem Frisiertisch. Dann krempelte er sich die Ärmel auf und drehte sich zu ihr um. »Bei mir musst du nicht schamhaft sein, Pru.«
    »Ich bin nicht schamhaft«, konterte sie gereizt und war froh, nicht nach Selbstmitleid zu klingen. »Ich will bloß nicht, dass du siehst, wie hässlich ich bin.«
    »Hässlich?« Er kam quer durch das Zimmer zu ihr ans Bett und setzte sich. »Meine liebste Pru, für mich wirst du nie etwas anderes als wunderschön sein!«
    »Aber ...«
    »Das haben wir bereits besprochen.« Sein Ton verriet ihr, dass die Diskussion damit beendet war. Nun stand Chapel auf, warf die Bettdecken zurück und hob Pru in seine starken Arme. Sie protestierte vehement, doch er

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