Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unsterbliches Verlangen

Unsterbliches Verlangen

Titel: Unsterbliches Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katryn Smith
Vom Netzwerk:
das natürlich bis zum Morgen wieder verschwunden wäre. Das wiederum fand er überaus bedauerlich.
    Zudem verstand er, was sie beabsichtigte, und es brachte ihn fast um. Der genüssliche Schmerz, den sie ihm bereitete, trieb ihm Tränen in die Augen - nicht weil sie ihm weh tat, sondern weil sie versuchte, so bei ihm zu sein, wie er bei ihr gewesen war. Und sie konnte es nicht.
    Weil er sie nicht ließ.
     

Kapitel 21
    W ie lange?«
    Dr. Higgins zog den Riemen seiner Arzttasche fest, hielt einen Moment inne, als müsste er sich sammeln, und blickte dann zu Pru auf.
    Sie saß auf ihrer Bettkante, den Morgenmantel um sich geschlungen. Es gefiel Dr. Higgins nicht, dass sie ihn bat, sie zu untersuchen, ohne dass ihr Vater davon wusste, aber Pru hatte ihn angefleht, ihrem Vater nichts zu sagen - noch nicht.
    »Ich kann bestenfalls eine Schätzung abgeben, Miss Ryland. Der Krebs ist ziemlich rapide fortgeschritten.«
    »Sie kennen mich schon mein ganzes Leben lang, Sir. Da können Sie mir doch gewiss mehr als das sagen .«
    Er seufzte. »Prudence ...«
    »Ich bin weder ein Kind noch eine schwache Frau, die hysterisch wird, wenn Sie Ihre Prognose offen aussprechen.« Sie biss die Zähne vor Wut zusammen. »Wie lange?«
    Higgins sah sie mitfühlend an. »Einen Monat vielleicht.«
    Vielleicht. »Oder weniger, meinen Sie.« Seltsam, aber sie empfand nichts.
    Er nickte und wandte den Blick ab. »Oder weniger, ja.«
    Das war es dann also. Offensichtlich hatte sie noch höchstens dreißig Tage, bis sie starb.
    Das war einer dieser Augenblicke, in denen sie sich wünschte, sie wüsste genauer, was nach dem Tod kam. Sie hoffte inständig, dass es einen Himmel gab, wollte jedoch bitte nicht von dort aus zuschauen müssen, was mit ihrer Familie geschah - zumindest nicht, solange sie um sie trauerten.
    Guter Gott, wie eitel sie war! Sie war noch nicht einmal tot, und schon plante sie, wie lange andere brauchten, um über ihren Tod hinwegzukommen!
    »Es tut mir unsagbar leid, Prudence.«
    Ja, musste es wohl, wenn er sie beim Vornamen ansprach. »Ich danke Ihnen, Dr. Higgins.«
    Auf einmal wirkte der Arzt sehr alt und sehr traurig. »Ich habe Sie auf die Welt geholt. Es schmerzt mich ungemein, Sie von ihr gehen sehen zu müssen.«
    Tränen brannten in ihren Augen. »Danke.«
    Er gab ihr eine kleine Flasche. »Gegen die Schmerzen, falls Sie es brauchen.«
    Pru nahm das Medikament entgegen. Es war Laudanum oder etwas Ähnliches, und sie würde es nur schlucken, wenn sie unbedingt musste. Sie wollte die letzten Tage ihres Lebens nicht in einem Dämmerzustand verbringen.
    Die ihr verbleibende Zeit wollte sie nutzen, um bei Chapel zu sein. Nicht bei ihrer Familie, nicht bei den wenigen Freunden, die sie hatte - falls sie überhaupt noch da waren, denn sie hatte sie alle lange nicht mehr gesehen. Nein, sie wollte bei Chapel sein.
    Sie bat ihre Zofe, Dr. Higgins zur Tür zu bringen, und wartete nicht, bis das Mädchen zurück war, bevor sie ihr Zimmer verließ. Es war Nachmittag, und eigentlich sollte sie nicht in Nachthemd und Morgenmantel durchs Haus gehen, aber außer dem Personal war niemand da. Der Rest der Familie unternahm einen kleinen Ausflug in die Stadt. Und der Gedanke, sich in ein Korsett zu schnüren, schreckte Pru ab, weil der Druck auf ihren Bauch unerträglich wäre.
    Konnte die Zeit nicht einfach anhalten? Ihre Zukunft war zu kurz, zu beängstigend. Der Tod, der große Unbekannte. Es war nicht das Sterben, was sie ängstigte, sondern was danach kam. Stets hatte sie sich für eine gute Christin gehalten, doch nun war sie sich nicht mehr sicher. Was, wenn es keinen Himmel gab? Was, wenn es einen gab, sie aber nicht hineinkam? Was, wenn da nichts mehr war?
    Und was nützte es ihr, in den Himmel zu kommen, wenn sie Chapel zurücklassen musste? In seinen Armen, in seiner Nähe fühlte sie sich im Himmel.
    Sie ging zu Chapels Zimmer und trat ohne anzuklopfen ein. Er wachte nur kurz auf, als sie sich an ihn schmiegte. Inzwischen war er. daran gewöhnt, dass sie zu ihm kam, während er schlief, und er schrak nicht mehr auf. Er war nicht wilder oder unberechenbarer als ein Kätzchen. Selbst im tiefsten Schlummer, in finsterster Dunkelheit erkannte er sie an ihrem Duft und den Geräuschen, die sie machte.
    Eine Träne stahl sich aus Prus Augenwinkel, als sie die Arme um ihn schlang. Seine Wärme tröstete Pru, seine bleibende Wärme. Lange nachdem sie fort sein würde, wäre diese Wärme immer noch da. Sie selbst wäre kalt,

Weitere Kostenlose Bücher