Unsterbliches Verlangen
war so hell, ihr Blick so strahlend. Es hatte nicht geholfen, dass ihr volles kastanienbraunes Haar aussah, als könnte es sich jederzeit aus dem Knoten lösen und ihr über die Schultern fallen. Rotes Haar, rotes Kleid, rote Lippen. Alles an ihr war pure Verlockung gewesen.
Der Klang ihrer Stimme, als sie seinen Namen sagte, hatte ihn derart heftig erbeben lassen, dass er fürchtete, sie mit einem seiner Reißzähne verletzt zu haben. In jenem Moment hatte ihn ein solches Verlangen überkommen, ihr Fleisch zu kosten - und das war kein bloßer Appetit auf Blut gewesen, sondern dasselbe Verlangen, das ein sterblicher Mann für eine Frau empfand.
Ein Grund mehr, seinen Aufenthalt hier in Cornwall so kurz wie möglich zu halten. Für jemanden wie ihn waren sich zu nähren und Beischlaf eng miteinander verbunden und fanden oft gleichzeitig statt, wie für andere das Essen und Trinken.
Warum diese Frau ihn solchermaßen erregte, war ihm ein Rätsel. Lag es vielleicht daran, wie sie duftete? War es die Herausforderung in ihren katzenähnlichen Augen? Etwas an ihr war ungewöhnlich. Sie strahlte eine tiefe Melancholie aus, die zu seiner eigenen passte, und dabei war sie doch voller Leben und Hoffnung. ja, Hoffnung umgab sie wie ein Schleier, und das war es, was ihn anzog.
Während er an sie dachte, erfüllte ihr Duft ihn aufs Neue. Zuerst meinte er, es sich nur einzubilden, aber dann holte er Luft und erkannte, das dem nicht so war. Sie musste in der Nähe sein, und obwohl er wusste, dass er lieber weggehen sollte, folgte er ihrem Duft, statt ihn zu meiden.
Die Spur führte ihn zu einer nicht ganz geschlossenen Tür, aus der neben Prudence Rylands Duft mattes Licht drang. Wie von selbst wanderte seine Hand zur Tür und stieß sie vorsichtig auf. Sie knarrte oder quietschte nicht einmal, so dass er sie für eine Weile unbemerkt beobachten konnte.
Prudence Ryland lag auf einer dunkelblauen Chaiselongue in der Mitte des Raumes. Sie trug ein dünnes jungfräuliches Nachthemd und eine Stola. Das an schweren Rotwein erinnernde Haar fiel ihr offen über die Schultern. Bei ihrem Anblick wurde Chapels Mund trocken, und sein Herz klopfte kurz gegen seine Rippen, als wollte es ihn wissen lassen, dass es noch da war.
Alles an ihr schrie auf eine verzweifelte Weise nach Leben, nach Hoffnung, die ihn magisch anzog. Sie sah so zerbrechlich aus, dass er sich danach sehnte, sie zu beschützen, so zart, dass er sie behüten wollte, und so verdammt verlockend, dass er seine Zähne in sie versenken wollte, um noch einmal das bittersüße Lebensaroma zu kosten.
Geh! Was ihm an Verstand geblieben war, befahl ihm, sofort zu gehen. Er bekämpfte die Versuchung doch nicht seit über vier Jahrhunderten, um ihr jetzt nachzugeben! Er wandte sich um.
»Lassen Sie sich von mir nicht vertreiben, Mr. Chapel.«
Ihre tiefe sanfte Stimme jagte ihm einen Schauer über den Rücken, und ihr Duft reizte seine Reißzähne. Er drehte sich zu ihr. »Ich möchte Sie nicht stören, Miss Ryland.«
Sie lächelte, als fände sie ihn amüsant. Junge Katzen und Kinder waren amüsant. Er war ein Monstrum – ein Monstrum, mit dem kleine Mädchen wie sie nicht spielen sollten.
Kleines Mädchen? Verglichen mit ihm vielleicht, aber als sie aufstand, wurde offensichtlich, dass sie eine erwachsene Frau war. Helle Seide spannte sich über ihrem Busen und schmiegte sich an ihre Schenkel.
»Sie stören nicht«, entgegnete sie. »Bitte, lassen Sie sich durch meine Anwesenheit nicht davon abhalten, sich etwas zum Lesen auszusuchen.«
Wie sollte ihre Anwesenheit ihn nicht abhalten? Wie könnte irgend jemand - sogar ein Sterblicher - sich auf Buchtitel konzentrieren, wenn ihm solch ein verführerisches Wesen nahe war?
Allerdings fände sie es gewiss seltsam, sollte er ablehnen, also ging er zu einem der Regale und betrachtete die Buchrücken. Anders als er erwartet hatte, wandte sie ihre Aufmerksamkeit keineswegs anderem zu. Vielmehr hockte sie sich auf die Lehne der Chaiselongue und beobachtete ihn, als wäre er überaus faszinierend. Derweil beobachtete er sie ebenfalls, allerdings verhalten aus dem Augenwinkel.
Sie neigte den Kopf zur Seite. »Konnten Sie nicht schlafen?«
Die Frage klang recht unschuldig, wenn schon ein wenig neugierig. »Nein. Ich hatte immer schon etwas von einer Nachteule.« Was eine glatte Untertreibung war. »Und Sie?«
Sie zuckte mit den eleganten Schultern. »Ich schlafe meist besser, wenn es draußen hell ist.« Es folgte ein
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