Unsterbliches Verlangen
süße Lächeln hätte er jederzeit mehr als einen Sonnenstrahl hingenommen. Was für eine Sirene sie war, unschuldig und zugleich auf betörende Weise verführerisch. Molyneux hatte gesagt, dass er häufiger menschliches Blut trinken sollte, aber die Vorstellung, Prus makellose Haut zu verunzieren, sie zu beschädigen und die Reinheit ihres Halses zu zerstören, war geschmacklos, ganz gleich, wie sehr es ihn gerade danach verlangte.
Ein Klopfen an der Tür kündigte das Dienstmädchen an, das ein Tablett mit einer Kanne, zwei Tassen und einer Auswahl von Häppchen brachte.
»Es macht Ihnen hoffentlich nichts aus«, sagte Pru zu ihm, »aber ich dachte, Sie wünschen vielleicht einige Erfrischungen.«
Ja, wünschte er, nur nicht die Sorte, an die sie dachte. »Vielen Dank. Das war sehr aufmerksam von Ihnen.«
Sie erblühte buchstäblich bei seinem Lob, und es stimmte ihn beinahe traurig, dass solch ein simpler Satz reichte, um sie zu begeistern.
Nachdem das Mädchen wieder gegangen war, plauderten sie angenehm und tranken dabei ihren Tee.
»Wie lange kennen Sie Mr. Grey eigentlich?«, fragte er schließlich, um einen möglichst beiläufigen Ton bemüht, und trank den Rest seines Tees.
»Ach, ungefähr ein Jahr«, antwortete sie achselzuckend. »Manchmal kommt es mir vor, als würde ich ihn schon ewig kennen, weil er so ein fester Bestandteil meines Lebens geworden ist.«
Er beneidete Marcus Grey, den kleinen Narren. »Sie müssen sich sehr nahestehen.«
Sie sah ihn misstrauisch an - wie eine Frau, die Eifersucht erkannte, wenn sie ihr begegnete. »Er ist wie ein Bruder für mich.«
Jesus, wurde er wirklich rot? War er so leicht zu durchschauen? Einzig offenes Flirten konnte ihn retten. »Jeder, der eine solche Schwester hat, sollte sich gesegnet fühlen.«
Pru lachte kurz und blickte in seine leere Tasse. »Soll ich Ihnen aus den Teeblättern lesen?«
Mit dieser Frage hatte er nicht gerechnet. »Können Sie das denn?« Solcherlei gehörte nicht unbedingt zum Zeitvertreib der Aristokratie, zumindest seiner Erfahrung nach nicht.
Sie nickte. »Meine Gouvernante lehrte es mich. Und ich finde es hilfreich, wenn ich mehr über jemanden wissen möchte.«
»Sie könnten entdecken, dass es Dinge gibt, die Sie lieber nicht über mich wissen würden.«
Sie stieß einen tadelnden Zungenlaut aus und nahm seine Tasse. »Wie rührend! Sie hören sich höchst dramatisch an, Chapel, und dabei habe ich das Gefühl, dass Sie nicht annähernd so finster sind, wie Sie sich gern geben.«
Chapel lachte, richtig laut. Sie hatte ihn wahrlich in seine Schranken gewiesen. Könnte sie doch bloß recht haben!
»Nur zu!« Selbst wenn dort etwas Dunkles zu erkennen war, würde Pru es wohl kaum als wahrlich finster deuten. Er lehnte sich auf der Chaiselongue zurück und legte ein Bein mit dem Fußknöchel auf dem Knie des anderen Beins ab. »Ich habe das noch nie gemacht und bin gespannt, zu hören, was die Blätter über mich erzählen können.«
Sie machte große Augen. »Was denn, Sie haben sich noch niemals aus den Blättern lesen lassen?«
»Ich ließ mir überhaupt noch nie in irgendeiner Form wahrsagen.«
»Warum nicht?«
»Vielleicht, weil ich eher selten unter Men ... Leuten bin.«
»Wollten Sie >Menschen< sagen?«
»Ja, aber die Bedeutung ist letztlich dieselbe. Vergeben Sie mir mein dürftiges Englisch.«
Sie schien ihm zu glauben, wofür er dankbar war, und reichte ihm seine Tasse, die sie umgekehrt auf die Untertasse gestellt hatte. Dann wies sie ihn an, sie drei Mal entgegen dem Uhrzeigersinn zu drehen und sich dabei etwas zu wünschen. Er tat, wie ihm geheißen, und wünschte sich Erlösung, was wenig überraschend war. Anschließend gab er Pru Tasse und Untertasse zurück.
Sie hob die Tasse und sah darunter. »Nun, Ihr Wunsch ist sehr weit obenauf.«
»Was bedeutet das?«
»Es bedeutet, dass er Ihnen erfüllt wird - ziemlich bald.« Sie kräuselte die Stirn. »Da ist eine Frau, die mit dem Wunsch verbunden ist.«
»Eine Frau?«
Der Schrecken musste ihm anzuhören gewesen sein, denn Pru hob den Kopf und lächelte ihn an. »Ja, eine Frau - einer von diesen Menschen, mit denen Sie selten Umgang pflegen.«
Freches Frauenzimmer! »Können Sie mir sagen, wer es ist?«
Ihr Gesicht glühte geradezu, als sie in die Tasse starrte. Sichtlich zögernd sah sie wieder zu ihm auf. »Ich mag Ihnen impertinent erscheinen, aber ich habe das Gefühl, dass ich es bin. Können Sie sich vorstellen, auf welche Weise ich mit
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