Unsterbliches Verlangen
»Warum sollte ich Ihnen helfen?«
»Weil das Mindeste, was Sie tun können, wenn Sie Pru schon nicht vor dem Tod bewahren, wäre, sich in ihrem Namen an diesen Leuten zu rächen.«
»Ich habe allmählich genug von Ihrem anmaßenden Ton!«, schrie Chapel ihn an. »Sie wissen nichts, nichts darüber, was ich bin oder wie es ist, ewig zu leben und Menschen sterben zu sehen, die einem teuer sind! Ist es das, was Sie sich für Pru wünschen: dass sie mitansehen muss, wie ihre Schwestern altern und sterben?«
Marcus schien unbeeindruckt. »Es geht nicht um das, was ich mir wünsche. Die Frage ist vielmehr, was Pru will. Haben Sie ihr überhaupt eine Wahl geboten?«
Chapel fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Natürlich nicht.«
Nun stand Marcus auf. Chapel war der Größere von beiden, aber Marcus war muskulöser. Wären beide menschlich, hätten sie in einem Kampf gleiche Chancen.
Aber das waren sie nicht, was Marcus Grey nicht zu kümmern schien. »Dann hören Sie auf, mich in einem fort anzuraunzen und zu beleidigen, und helfen Sie mir lieber, einen Weg zu finden, wie wir Pru und ihre Familie vor dem Morgengrauen retten.«
Vor dem Morgengrauen? Das war ein bisschen melodramatisch, oder nicht? »Was? Erwarten Sie jetzt, dass ich die gesamte Ryland-Famille verwandle statt bloß Pru?«
»Nein, ich erwarte, dass Sie mir helfen, sie vor den Männern zu schützen, die zweifellos in diesem Augenblick auf dem Weg nach Rosecourt sind.« Marcus drängte sich an ihm vorbei. »Oder glauben Sie etwa, dass sie vorhaben, irgendjemanden von den Rylands - von uns - am Leben zu lassen?«
Kapitel 15
Sie war nicht allein.
Es war noch dunkel, als Pru aufwachte, und obwohl sie vor Müdigkeit benommen war, wusste sie sofort, dass jemand in ihrem Zimmer war.
Kaum hatte sie es bemerkt, wurde sie von groben Händen gepackt und aus ihrem Bett gezerrt. Sie wehrte sich, trat und schlug schreiend um sich, doch sie hielten sie fest. Dann traf sie eine Faust am Kinn, und sie fiel, stumm vor Schreck. Die ganze linke Kopfhälfte pochte vor Schmerz von dem Schlag.
Nun versuchte sie nicht mehr, sich zu widersetzen, denn mit dem nächsten Hieb könnten sie sie bewusstlos schlagen, womit sie außerstande wäre, sich zu verteidigen.
Sie zerrten sie die Treppe hinunter in den Salon. Dort waren zwei weitere Männer, die Gewehre auf Matilda und ihren Mann Frederick richteten. Matilda sah vollkommen verängstigt aus. Pru wollte zu ihr gehen, aber der Mann hinter ihr umklammerte ihren Arm und hielt sie zurück.
Ihr blieb nichts anderes, als Matilda einen tröstlichen Blick zuzuwerfen, um sie zu beruhigen. Der Rest der Familie, einschließlich ihres Vaters, wurde ebenfalls von bewaffneten Männern hereingebracht. Zusammengepfercht wie die Schafe standen sie alle in ihren Nachtkleidern da, zitternd und verwirrt.
»Was wollen Sie von uns?«, fragte Prus Vater.
Einer der Männer, der Pru aus ihrem Bett geholt hatte und von dem sie annahm, dass er der Anführer war, weil er sich besonders autoritär gab, sah sie kurz an, ehe er antwortete: »Ihre Tochter hat sich in Angelegenheiten gemischt, aus denen sie sich besser herausgehalten hätte. Wir können nicht zulassen, dass Sie oder die Informationen, die Sie haben könnten, überleben.«
Angelegenheiten? Informationen? Wovon sprach er? Er meinte doch gewiss nicht ihre Suche nach dem Gral, oder?
O Gott, ja, das meinte er! Der tote Mann in dem Keller war genauso angezogen gewesen wie diese Männer. Er hatte zu ihnen gehört. Sie wussten also von dem Keller und waren vor ihr dort unten gewesen. Was immer in der Ruine gewesen sein mochte, jetzt hatten sie es.
Und sie würden sie alle töten. Es reichte nicht, dass sie ihr nahmen, was von ihrem Leben noch übrig war, sondern sie wollten sie auch noch in dem Wissen. sterben lassen, für den Tod ihrer gesamten Familie verantwortlich zu sein. Ohne ihren idiotischen Ehrgeiz, den Tod zu überlisten, wäre das hier nie geschehen.
Wieder sah sie zu der verschreckten Matilda. »Es tut mir entsetzlich leid«, flüsterte sie, ihre Stimme tränenerstickt. Auch Matilda stiegen Tränen in die Augen.
Der Mann vor Pru richtete seine Pistole auf ihren Vater. Gütiger Gott, er wollte ihn als Ersten erschießen!
Ihr Vater schloss die Augen. Er war so ruhig und stark, wie es Pru nie sein könnte. Sie würde den Tod niemals als das endgültige Ende akzeptieren.
In diesem Moment jedoch wurde der Mann von einem seiner Begleiter aufgehalten. »Noch nicht! Sie sind
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