Unsterbliches Verlangen
es. Sie sah mit an, wie der klaffende Schnitt, wo der Mann den Dolch in seine Brust gestoßen hatte, sich zu schließen begann und kleiner wurde. Vor ihren Augen hellte die Wunde vollständig!
Verwundert sah sie zu ihm auf. »Was sind Sie?«
Er versuchte zu lächeln, wirkte jedoch nur traurig. »Ich bin ein Vampir.«
Und dann wurde Pru, die sich stets rühmte, alles andere als eine schwache, geistlose Frau zu sein, ohnmächtig.
Chapel fing Pru auf, als sie zusammensackte. Sein Blut beschmutzte ihr schneeweißes Nachthemd, und ihm krampfte sich der Magen zusammen, wenn er daran dachte, wie leicht es ihr eigenes Blut hätte sein können, welches das zarte Leinen ruinierte. Gott sei Dank war sie nicht verletzt worden!
Mit ihr in den Armen stand er auf und legte sie behutsam aufs Sofa, weil er sie nicht wecken wollte. Als er sich wieder aufrichtete, stellte er fest, dass ihre ganze Familie um ihn herumstand und ihn unsicher ansah.
»Ich werde Ihnen nichts tun«, sagte er. Wahrscheinlich würden sie jeden Moment losrennen und ihre Fackeln und Mistforken holen.
»Ich denke, wenn das Ihre Absicht wäre, hätten Sie es längst getan«, sagte Thomas Ryland.
Matilda starrte ihn an, als wäre er wahnsinnig, wohingegen die anderen Frauen - und ihre Männer - ihn bestaunten wie Kinder einen Tiger. Wie es schien, wollten sie ihn am liebsten umarmen, trauten sich aber nicht.
»Wer waren die Männer?« Es war Pru, die fragte. Chapel drehte sich zu ihr und sah, dass Molyneux sie aus ihrer Ohnmacht geweckt hatte. Der Priester hockte neben ihr und hielt ihre Hand.
Es fiel ihm erstaunlich leicht, ihr in die Augen zu sehen, lag darin doch keine Spur von Abscheu oder Hass, nur Ungläubigkeit. Keine Frage, die Angst und der Hass würden bald kommen, sobald der erste Schreck nachließ. »Sie gehörten zu einer Gruppe, die sich Silberhandorden nennt.«
Offensichtlich sagte ihr der Name nichts. Trotzdem schien sie zu begreifen, was sie hier wollten. »Sie wollten uns wegen meiner Suche nach dem Gral töten.«
Der Schmerz in ihrem Tonfall ging Chapel zu Herzen. »Nicht wegen Ihnen, Pru - niemals wegen Ihnen.«
Entweder bemerkte es niemand, dass er sie mit ihrem Kosenamen ansprach, oder es störte keinen. Das war in der gegenwärtigen Situation schwer zu sagen. Immer noch beobachteten ihn alle, als wäre er ein Zwischending zwischen einer wilden Bestie und einem Gott.
Alle bis auf Pru natürlich. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, schuldbewusst und verletzt zu ihm aufzublicken wie zu einem Gott. Es überraschte ihn, wie sehr er sich wünschte, stattdessen Bewunderung in ihren Augen zu sehen. Trotz seiner eigenen Schuldgefühle und seinem Ekel angesichts dessen, was er war, würde er von ihr gern als etwas Besonderes wahrgenommen werden.
Er wollte besonders sein, kein Monstrum.
»Sie waren nicht hinter dem Heiligen Gral her«, sagte Chapel ihr. Zwar hatte er nicht vor, Marcus Grey eine nähere Erklärung zu ersparen, aber er konnte nicht zulassen, dass sie sich die Schuld an diesem Blutbad gab. »Sie waren hinter etwas noch Älterem her, das der Blutgral genannt wird. Ein Freund von mir bewachte ihn, aber sie benutzten Ihre Ausgrabung, um an den Kelch zu gelangen, und ich fürchte, sie haben meinen Freund in ihrer Gewalt.«
Über Prus Kopf hinweg sah er zu Marcus. Der junge Mann nickte. Die Einzelheiten sollte er ihr erzählen. Marcus kannte die Familie besser als Chapel, und er hatte nicht vorgehabt, sie alle in Gefahr zu bringen. Außerdem war er derjenige, der von dem Orden überlistet worden war. Folglich war es seine Geschichte, die er erzählen sollte, nicht Chapel.
Pru kräuselte die Stirn. »Was ist mit Ihrem Freund? Ist er tot?«
Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn. Selbst in diesem Moment dachte sie an ihn, an seine Qualen. »Ich glaube es nicht, nein.« Er war nicht sicher, woher er es wissen konnte, aber er war beinahe sicher, dass Temple lebte. Und er war außerdem sicher, dass Temple vom Silberhandorden gefangen gehalten wurde. Der Mann, der sich als Magus ausgab, war nicht bei dieser Gruppe gewesen, was bedeutete, dass der Anführer wahrscheinlich schon fort war. Was immer der Orden plante, sie wollten offensichtlich alle Vampire lebend, denn als sie angegriffen hatten, hatte er gehört, wie ein Mann einen anderen daran erinnert hatte, dass sie ihn nicht töten durften.
Er würde sogar wetten, dass der Orden davon ausgegangen war, der Tagesanbruch würde Chapel schwächen, so dass er schlief, wenn sie
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