Unter allen Beeten ist Ruh
hatte sowohl Frau Kallwey als auch Kommissar Schmidt während ihrer Aussage genau im Auge behalten. Ihr war nicht entgangen, dass Schmidt und seine Kollegin sich unterschiedliche Notizen machten. Ihn interessieren an meiner Aussage andere Details als sie, dachte Pippa, ich muss unbedingt herausfinden, worin der Unterschied besteht, dann weiß ich, was für diesen Fall wirklich relevant ist … Erst jetzt bemerkte sie, dass Schmidt sie durchdringend ansah, und zuckte zusammen.
»Jemand zu Hause?«, fragte Schmidt ironisch. »Ich habe gerade zweimal gefragt, was Sie über Herrn Erdmanns geplantes Hanf-Resort wissen.«
Pippa zuckte mit den Achseln. »Das war schon längst Thema, als ich hier angekommen bin. Das Projekt scheint mir die Wurzel allen Übels, der Auslöser für die fürchterlichen Dinge, die passiert sind. Herr Erdmann ist bei der Durchsetzung seiner Interessen recht rabiat vorgegangen. Er hat überall Unfrieden gesät und auch nicht davor zurückgeschreckt, massiv Druck auszuüben. Mit seinen Methoden, die Insulaner zum Verkauf ihrer Parzellen zu drängen, hat Lutz alle gegen sich aufgebracht. Die meisten hätten es mit Sicherheit begrüßt, wenn er … äh … einfach verschwunden und nicht mehr aufgetaucht wäre.« Sie atmete tief durch. »Entweder man wollte ihn tot sehen … oder heiraten.«
Schmidt nickte nachdenklich. »Das deckt sich mit dem, was ich bis jetzt von den Insulanern gehört habe. Frau Christ war mit ihm verlobt, und alle anderen fanden ihn widerlich. Denken Sie, dass er einen der Insulaner mit seinen Überredungskünsten zu einer Kurzschlusshandlung getrieben hat? Gibt es jemanden auf Schreberwerder, dem Sie einen Mord zutrauen?«
Pippa schnappte unwillkürlich nach Luft.
»Das kann nicht Ihr Ernst sein«, ereiferte sie sich empört, »ich soll meine Nachbarn anschwärzen? Die Menschen, die mich wie ein Familienmitglied in ihrer Mitte aufgenommen haben? Jemanden als möglichen Mörder denunzieren? Ich mag die Leute hier, Kommissar Schmidt, einige davon sind sehr gute Freunde. Sie können doch nicht erwarten, dass ich …«
Kommissar Schmidt unterbrach Pippa mit eiskalter Stimme. »Doch, genau das erwarte ich, Frau Bolle – denn ich bin sicher: Einer Ihrer Nachbarn ist der Mörder.«
Kapitel 26
D as Häuschen der Wittigs platzte aus allen Nähten.
Ohne sich verabredet zu haben, waren die Insulaner nacheinander eingetrudelt, denn alle hatten das Bedürfnis, sich nach ihren Verhören miteinander auszutauschen. Pia Peschmann kniete in der kleinen Diele vor ihrem Koffer und wühlte darin herum.
Jochen spähte über ihre Schulter. »Was suchst du, Schatz?«
»Meine dicke Strickjacke«, murmelte Pia und schichtete hektisch ihre Kleidung von links nach rechts, »die muss doch irgendwo sein, verdammt.«
»Es ist ein so warmer Abend, du brauchst keine Jacke.«
Pia fuhr verärgert herum. »Sag du mir nicht, ob ich eine Jacke brauche oder nicht. Mich fröstelt.« Ihr Gesicht veränderte sich und zeigte, wie erschöpft sie war. »Entschuldige, Jochen, mir ist wirklich kalt, und ich bin unendlich müde …«
Jochen hielt ihr die Hand hin, und sie ließ sich von ihm hochziehen. Sie schmiegte sich an ihn.
»Ich werde noch verrückt hier«, murmelte sie.
Aus der kleinen Küche hatten Pippa und Gerdi die Szene beobachtet.
»Möchtest du eine Tasse Tee, Pia?«, fragte Gerdi, aber Pia schüttelte den Kopf.
»Ich glaube, bei dieser Art Kälte kann nicht einmal heißer Tee helfen«, sagte Pippa. Sie linste aus dem Fenster, wo der Nachwuchs der Kästners kreischend mit Daniel Fußball spielte. »Deine Kleinen sind momentan die Einzigen, die Spaß haben.«
»Ja, seit heute wollen alle Polizisten werden«, antwortete Gerdi und grinste breit, »sie glauben, dann sind sie den ganzen Tag mit Sirenengeheul auf einem schnellen Boot unterwegs und jagen Mörder.« Ihr Lächeln verschwand. »Denkst du, Kommissar Schmidt braucht lange, um … Hat dein Bruder dir irgendetwas gesagt? Ob sie jemanden verdächtigen oder so?«
Pippa schüttelte den Kopf. »Kein Sterbenswort. Sein Mund ist fester verschlossen als eine junge Auster. So kenne ich ihn gar nicht. Allerdings war ich auch noch nie in ein Verbrechen … äh … verwickelt, bei dem er ermittelt.«
»Aber du bist doch nicht verwickelt?!«
»Für Schmidt bin ich eine potentielle Verdächtige, genau wie alle anderen.«
»Hier, nimm die, aber langsam auf der Zunge zergehen lassen«, sagte Ida Marthaler und hielt Lisa die flache Hand hin, auf der
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