Unter allen Beeten ist Ruh
abwarf.
Pippa brach in Gelächter aus und rief: »Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort, für die großen hat er dann ja wohl die meisterliche Polizei.«
»Freddy hat sich etwas ungeschickt ausgedrückt«, sagte Nante mit strafendem Blick auf seinen Freund, der noch immer am Boden lag, »wir brauchen dich wirklich, Pippa. Bitte.«
Freddy rappelte sich auf. Er murmelte halblaute Verwünschungen, als er sich vorsichtig wieder in der Hängematte niederließ. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wo einige Freunde im Allgemeinen und Geschwister im Besonderen ihn mal gepflegt kreuzweise konnten …
»Also gut«, sagte Pippa, »wenn ihr mich so lieb bittet … Wir schließen einen Deal: Ich helfe euch, auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie – und ihr zwei reicht mir dafür euer Insiderwissen über den Tisch.«
Nante und Freddy wechselten einen kurzen Blick und nickten dann synchron.
»Abgemacht«, sagte Nante, »aber jetzt lasst uns hier verschwinden. Wir gehen rüber zu den Peschmanns, dort gibt es unten am Wasser einen Picknicktisch. Da sind wir ungestört und können nicht belauscht werden.«
Ich kenne diesen Platz bereits, und er hat mir gestern schon nicht gefallen, hätte Pippa fast gesagt, biss sich aber rechtzeitig auf die Zunge.
Eine Nacht und einen Mord später saß Pippa wieder an dem Ort, an dem Viktor ihr die Wahrheit über Dorabellas Tod erzählt hatte. Diesmal war es keine sternenklare, laue Sommernacht mit hellem Mondschein. Die Havel war tiefschwarz und schwappte ölig ans Ufer, dichte Wolken trieben über den Himmel und der stete frische Wind schmeckte nach Regen. Nante trug das Windlicht vor sich her, sonst hätten sie die Hand nicht vor den Augen sehen können. Pippa schauderte unwillkürlich und schaute in den Himmel.
Nante folgte ihrem Blick. »Keine Sorge, heute gibt es keinen Regen mehr. Aber morgen Mittag wird ein Gewitter aufziehen, und dann ist hier die Hölle los.«
»Hört mal, Jungs.« Pippa wurde langsam ungeduldig. »Ich möchte endlich mal wieder eine Nacht mehr als vier Stunden schlafen. Kommt also bitte zur Sache.«
Wieder wechselten die beiden Männer einen Blick, dann sagte Nante mit gesenkter Stimme: »Es geht um Luis.«
Pippa fiel die Kinnlade herunter. Luis? Sie sah ungläubig von Nante zu Freddy und wieder zurück, dann hob sie hilflos die Hände. »Was kann ich da bitte schön tun? Luis sitzt in U-Haft!«
»Nee, tut er nicht«, erwiderte Freddy.
Pippa wurde schwindelig. »Was willst du damit sagen? Ist er … ist er ausgebrochen?«
»Natürlich nicht.« Freddy verdrehte die Augen. »Wir verstecken ihn. Er ist bei Mylady und Dad in der Transvaalstraße und lässt sich verwöhnen. Im Moment liegt er wahrscheinlich in deinem Bett und schnarcht.«
»Waaas? Mein Gott, Freddy, was hast du getan? Willst du deinen Job verlieren? Wenn Schmidt das rauskriegt … der steckt dich doch gleich mit in den Knast! Wegen … wegen … Fluchthilfe oder wie das heißt! Und dann hast du auch noch den Nerv, unsere Eltern da mit reinzuziehen …«
Sie schüttelte fassungslos den Kopf.
»Du guckst eindeutig zu viele schlechte Krimis«, sagte Freddy amüsiert, »sonst kämst du nicht auf derart alberne Ideen. Luis wurde ganz normal entlassen, aber er will partout nicht zurück auf die Insel. Er hat Angst, Pippa. Er hat um Polizeischutz gebeten.«
Pippa verstand immer noch nichts und sah hilfesuchend zu Nante.
»Er fürchtet, dass er der Nächste ist, der ins Gras beißt«, erklärte dieser und korrigierte sich dann: »… ins Gras gebissen wird.«
Pippas Verwirrung wuchs.
»Verstehe ich nicht. Wer sollte ihn umbringen wollen? Und warum? Weil er Lutz diverser Verbrechen beschuldigt hat? Das ergibt doch keinen Sinn! Wenn wirklich einer von den Insulanern der Mörder ist, dann dürfte derjenige ja wohl zur Anti-Erdmann-Fraktion gehören – genau wie Luis. Und wie fast jeder auf der Insel. Außerdem: Für Verwünschungen von Luis’ Kaliber tötet niemand. Solche Drohungen gehören zu den rituellen Flüchen unter genervten Familienmitgliedern.«
»Du musst es ja wissen«, murmelte Freddy spitz.
Pippa ignorierte Freddys Einwurf und fuhr fort: »Da muss es um mehr gehen. Luis’ Angst und der Mord an Lutz müssen andere Gründe haben.«
»Genau«, sagte Nante, »und Luis behauptet, du wüsstest die.«
»Ich? Ich bin noch nicht einmal drei Wochen hier! Was soll ich denn wissen?«
»Das hat sich bei Luis’ Verhör aber ganz anders
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