Unter allen Beeten ist Ruh
Blick.
»Jetzt fragt ihr euch, woher ich das weiß, nicht wahr?«
Die beiden Männer nickten.
»Ganz einfach: Lutz hätte mit Sicherheit sofort aufgeräumt, damit Angelika nichts merkt. Außerdem sind die Spuren im Bad besonders verräterisch, denn die beiden haben gemeinsam geduscht. Sieht man an den zwei Handtüchern, die vor der Dusche auf einem Haufen liegen.«
»Und wieso ist das der Kripo nicht aufgefallen?«, fragte Freddy bissig.
»Kein Sexleben«, konterte Pippa blitzschnell.
In der Küche zeugten Spuren von einem gemeinsam genossenen Espresso.
»So viel Zeit haben die beiden sich immerhin noch genommen, einen guten Lavazza zu trinken, bevor es wieder an Bord ging«, stellte Pippa mit Kennermiene fest.
Freddy hatte unterdessen die Kühlschranktür aufgerissen und begutachtete interessiert den Inhalt.
»Hmm … Gänseleberpastete! Krabbencocktail! Und eine Gemüselasagne!« Er seufzte sehnsüchtig. »Und keiner da, der diese wunderbaren Dinge essen darf. Tragisch. Wirklich tragisch.« Er nahm ein Glas Kaviar, öffnete den Deckel und schnüffelte daran. »Was meint ihr, hat die Spurensicherung eine Inventarliste erstellt?«
Pippa und Nante nickten synchron.
Freddy stellte das Glas widerstrebend zurück an seinen Platz und schloss den Kühlschrank. »So eine Verschwendung!«
»Dafür sind wir nicht eingebrochen, dass du eventuelle Beweismittel futterst, du Vielfraß«, sagte Nante amüsiert, »wer weiß, welche wichtigen Informationen unsere Miss Holmes gerade aus diesem Krabbencocktail lesen kann.«
»Dazu müsste ich ihn näher untersuchen.« Pippa ging auf Nantes scherzhaften Ton ein. »Watson – meine Lupe!«
»Ich mache gern einen Geschmackstest«, bot Freddy hoffnungsvoll an.
Nante prustete. »Nee, im Ernst: Ich glaube, bei der Polizei sollten deutlich mehr Frauen arbeiten. Irgendwie habt ihr einen anderen Blick für diese Dinge. Lebensnaher.«
»Wieso? Es gibt doch jede Menge Frauen bei uns«, sagte Freddy.
»Im Fernsehen vielleicht, mein Freund. Tatort -Kommissarinnen gibt es ohne Ende, aber das ist doch nicht die Wirklichkeit.«
»Denkste«, fauchte Freddy, »es gibt im höheren Dienst ein Gleichgewicht – ja, da staunst du? Es gibt in Berlin fast exakt so viele Kommissarinnen wie Kommissare.«
»Dann ist es eben Pippas ganz spezieller Blick, der uns hilft. Das ist vielleicht sogar die Lösung: Amateure sehen mehr als Kommissare, die nur nach Vorschrift gehen.«
Draußen kam das Unwetter in Fahrt. Fast ohne Pause donnerte und blitzte es, und der Regen prasselte vom Himmel.
Pippa, Nante und Freddy waren auf dem Weg in Lutz’ Erdmanns Arbeitszimmer, als ein gleißender Blitz das Wohnzimmer erhellte. Der Schreck fuhr Pippa durch Mark und Bein: Für eine Zehntelsekunde glaubte sie den Umriss eines hochgewachsenen Mannes an der Terrassentür zu erkennen. Ihr Herz klopfte wild.
»Habt ihr das gesehen?«, keuchte sie.
»Was gesehen?«, fragte Freddy.
Pippa nahm allen Mut zusammen und spähte aus der Terrassentür. Ein Blitz tauchte den Garten in grellweißes Licht. Nirgends eine Menschenseele.
»Achtzehn Einwohner und hundert Gespenster«, sagte sie leise zu sich. »Ich dreh’ wohl langsam durch.«
Abrupt drehte sie sich um und ging hinüber in Erdmanns penibel aufgeräumtes, kleines Arbeitszimmer. Ein riesiger Plan der Insel dominierte eine Wand – der Plan, den Lutz bei seiner Party den Insulanern präsentiert hatte. Akkurat beschriftete Ordner füllten ein Stahlregal mit Glasböden.
»Parzellenkäufe« stand auf einem der Rücken. Pippa zog den Ordner heraus und schlug ihn auf.
Sie pfiff leise durch die Zähne. Der Ordner enthielt einen einzigen Kaufvertrag, geschlossen zwischen Lutz und dem Ehepaar Marthaler. Pippa hielt den Atem an und blätterte bis zur letzten Seite. Da prangten die beglaubigten Unterschriften von Lutz Erdmann, Heinz Marthaler – und Ida.
Parzelle 5 gehörte einem Toten.
Kapitel 28
D er Sturm tobte wütend über die Insel und ließ die Zweige des Apfelbaums gegen das Fenster peitschen. Seit Stunden schüttete es wie aus Eimern. Pippa schlief unruhig. Sie wälzte sich auf dem schmalen Klappsofa in der Kästner’schen Wohnküche schwitzend hin und her. »Nein, bitte«, murmelte sie, »was wollt ihr denn alle von mir … lasst mich doch in Ruhe …«
»Das hättest du wohl gern«, zischte die Traum-Ida böse, »du bist genau so ein Parasit wie mein versoffener Gatte! Ihr hängt euch an einen Wirt und saugt ihn aus, und hinter meinem Rücken macht ihr
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