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Unter allen Beeten ist Ruh

Unter allen Beeten ist Ruh

Titel: Unter allen Beeten ist Ruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auerbach , Keller,
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nutzen, noch ein paar Worte in eigener Sache zu sagen. Wir sind gerade alle hier versammelt und ich möchte Ihnen und dem eventuellen Erben von Dorabella noch einmal das Angebot machen, Ihre Parzellen …«
    Weiter kam er nicht.
    Stephan Kästner und Matthias standen wortlos auf, packten jeder einen seiner Arme und trugen ihn zum Landungssteg. Dort ließen sie den verblüfften Lutz einen kurzen Moment über dem Wasser schweben, bevor sie ihn mit Schwung in die Havel beförderten. Alle applaudierten, nur Angelika Christ lief entsetzt zum Steg.
    »Ja, Dorabella«, sagte Viktor in den Beifall hinein, »wie du siehst, erfüllen wir heute sogar deine geheimsten Wünsche. Dorabella lebe hoch!«
    Während die anderen klatschten, beobachtete Pippa, wie Lutz Erdmann triefend an Land kam und die Faust drohend gegen die Trauergemeinde schüttelte. Als Angelika ihm helfen wollte, wehrte er sie grob ab und ging in Richtung seiner Parzelle davon. Ein paar Sekunden später hörte man sein Gartentor mit lautem Scheppern ins Schloss fallen.
    Pippa überlegte kurz und ging dann nach vorn zum Pult. Sie würde es nicht zulassen, dass Lutz allen die Feier verdarb.
    »Die meisten von euch kennen mich erst wenige Tage«, sagte sie und blickte auf den rosengeschmückten Sarg, »und ich durfte nur eine viel zu kurze Woche lang Dorabellas Gesellschaft genießen. Sie hat mich herzlich auf eurer schönen Insel willkommen geheißen, hat mich eingeladen und …«, Pippa lächelte bei der Erinnerung, »… mit ihrem gleichermaßen köstlichen wie teuflischen Selbstgebrannten bewirtet. Dorabella war eine gelassene Dame, die ich bereits nach unserem ersten Zusammentreffen bewundert habe. Sie war eine wahrhaft positive Natur und sie hatte wunderbare Menschen an ihrer Seite.« Pippa sah zu Viktor, Luis und Herrn X hinüber. »Ich war und bin beeindruckt von ihr, und ich bedaure zutiefst, dass ich keine Zeit mehr hatte, sie näher kennenzulernen. Gute Reise, Dorabella.«
    Viktor ging zu Pippa und küsste ihr die Hand. »Ich danke dir, Pippa.«
    Er drehte sich zur Trauergemeinde um und verkündete: »Bevor wir Dorabella auf der Rieke zu ihrer letzten Ruhestätte begleiten, wollen wir auf ihr Wohl trinken.«
    Auf einem Tisch, um den sich die Trauergäste jetzt versammelten, stand ein Tablett mit Schnapsgläsern und einem beachtlichen Vorrat von Dorabellas Birnengeist. Für die Kinder und Jugendlichen gab es alkoholfreie Waldmeisterbowle. Man stieß miteinander an und unterhielt sich leise.
    Auf ein Zeichen hin traten die Mitarbeiter des Bestatters, sechs ernst dreinschauende Herren in schwarzen Anzügen und weißen Handschuhen, an den Katafalk mit Doras Sarg und schoben ihn über den Steg zur wartenden Rieke .
    Nante ging voraus und half, den Katafalk mit Hilfe von breiten Bohlen an Bord zu hieven. Er hatte einen Teil der Bänke auf dem Deck abgeschraubt, um Platz zu schaffen. Duftende Rosengirlanden schmückten Geländer und Reling, die Flagge der Rieke wehte auf Halbmast.
    Pippa hatte es übernommen, die Kästner-Kinder zu hüten, um den Eltern die Möglichkeit zu geben, an der Beisetzung teilzunehmen. Jetzt stand sie mit dem ungewohnt schweigsamen Emil am Steg und sah zu, wie die Trauergäste nach und nach an Bord gingen.
    Viktor hatte den Arm um den weinenden Sven gelegt. Karin und Matthias saßen auf einer Bank und hatten Herrn X wie ein kleines Kind zwischen sich genommen. Lisa hielt mit Daniel Händchen. Sie flüsterten miteinander. Die Peschmanns und das Ehepaar Kästner kamen gemeinsam an Bord, als hätte es nie Feindschaft zwischen ihnen gegeben. Die Marthalers gingen wie Fremde nebeneinander her. Ida Marthaler wirkte betroffen, aber gefasst, Heinz gelangweilt. Luis saß stumm neben Doras Sarg. Der junger Mann, der Lutz so aus der Fassung gebracht hatte, war nicht an Bord. Lutz Erdmann war ebenfalls nicht wieder aufgetaucht, aber Angelika Christ bestieg die Rieke . Sie war sehr blass, und ihr Blick wanderte immer wieder zu Erdmanns Parzelle hinüber.
    Pippa musterte alle der Reihe nach. Sie fragte sich, wer der nächtliche Besucher gewesen sein mochte und ob Doras Tod wirklich nichts als ein Unglück war.
    Alle Anwesenden waren ganz normale Menschen; niemand schien über besondere kriminelle Energie zu verfügen. Also musste es eine andere Erklärung geben.
    Und Lutz? Pippa schüttelte innerlich den Kopf. Der war zwar gierig, aber mit Sicherheit zu feige, um einen Mord zu begehen. Andererseits war Luis felsenfest davon überzeugt, dass

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