Unter allen Beeten ist Ruh
schienen Lutz nicht zu interessieren. Er durchquerte mit großen Schritten den Raum und baute sich vor seinem Halbbruder auf.
Pippa hoffte inständig, dass sich einer der atemlos zuschauenden Herren im Falle eines Schlagabtausches zwischen die kämpfenden Brüder werfen würde, machte sich aber innerlich für eigenen Körpereinsatz bereit.
Felix Maier hielt Lutz’ angriffslustigem Blick erstaunlich gelassen stand und zwang Lutz damit in die Offensive.
»Was hast du hier zu suchen? Verschwinde! Sofort!«
Maier zuckte mit den Schultern und entgegnete: »Und das hast du zu entscheiden?«
»Dies ist eine Versammlung der Schreberwerder-Bewohner. Bist du ein Schreberwerder-Bewohner? Nein! Also hast du hier nichts zu suchen.«
»Könnte aber sein, dass er bald unsa Nachbar ist, wie wir alle jerade von Dorabella jehört ham – und wenn ick so frei sein darf hinzuzufüjen: een höchst willkommener«, rief Luis und nickte zufrieden, als beifälliges Gemurmel erklang.
Lutz fuhr herum und zeigte mit dem Zeigefinger auf Luis. »Misch dich nicht ein, alter Mann. Das hier ist eine Familienangelegenheit, verstanden? Das geht niemanden etwas an, außer diesen Bastard und mich.«
»Wat denn nu«, stichelte Luis vergnügt, »Bewohnerversammlung oder Familienanjelegenheit? Vielleicht sollteste dir ma festlejen, Herr Erdmann.« Er betonte das Wort »Herr« auf eine Art und Weise, die an Beleidigung grenzte.
Lutz schnappte nach Luft, wandte sich aber wieder Felix Maier zu und schrie: »Du bist ja immer noch hier!«
»Ich schlage vor, wir beruhigen uns erst einmal alle und trinken einen Kaffee oder einen Schnaps. Oder beides«, sagte Viktor streng. »Und dann klären wir die Angelegenheit ganz in Ruhe.«
Karin wurde sofort aktiv und schenkte Kaffee aus, an ihrer Seite Pippa, die Schlehenschnaps anbot.
Währenddessen stand Viktor auf und ergriff das Wort: »Für die meisten von uns überraschend ist heute dieser junge Mann aufgetaucht, der dennoch zu uns gehört, weil er zu Dorabella gehörte. Fast alle Insulaner sind hier versammelt, und trotz des traurigen Anlasses ist das eine sehr gute Gelegenheit, dich endlich vorzustellen, Felix.«
Er stupste den jungen Mann aufmunternd an.
»Ich freue mich darauf, Sie alle näher kennenzulernen«, sagte Maier und nickte grüßend in die Runde. Dann fuhr er fort: »Tante Dorabella hat eigentlich schon alles gesagt. Und das Wichtigste ist nun einmal: Lutz und ich haben denselben Vater.«
»Haben wir nicht«, schrie Lutz, »dafür gibt es keine Beweise, mein Vater hat dich niemals anerkannt!«
»Du weißt, dass das eine Lüge ist«, schoss Felix zurück.
»Merkwürdig, wirklich sehr merkwürdig, dass du dann nach Vaters Tod dein Erbe nicht eingeklagt hast, du gieriger kleiner Schmarotzer.«
»Noch viel merkwürdiger, dass sämtliche entsprechenden Dokumente aus Vaters Papieren verschwunden waren, als das Testament eröffnet wurde.«
Ein schnelles Grinsen huschte über Lutz Erdmanns Gesicht. »Ja, dumm gelaufen, nicht wahr?«
»Freu dich nur nicht zu früh, lieber Bruder, ich werde beweisen, dass du Vaters Papiere manipuliert hast. Ich sage die Wahrheit.«
»Das ist dann deine Wahrheit«, höhnte Lutz, »und morgen kommen drei weitere Betrüger um die Ecke, die behaupten, dass mein seliger Vater mit ihrer Schlampe von Mutter im Bett war, und wollen an mein Erbe.«
Felix Maier versteinerte.
»Großer Gott – Erdmann«, sagte Viktor angeekelt.
»Was denn?« Lutz Erdmann war sich keiner Schuld bewusst. »Da kann doch jeder kommen.«
»Dann wird eben eine DNA -Analyse gemacht«, gab Viktor zurück.
»Du glaubst doch nicht, dass ich die Exhumierung meines Vaters gestatte, damit unser guter Name in den Dreck gezogen wird? Allein die Behauptung dieses hergelaufenen Maierleins ist ein Angriff auf die Familienehre der Erdmanns«, verkündete Lutz pompös.
»Sagt einer, der Moral für eine aussterbende Spezies von afrikanischen Einzellern hält!«, prustete Karin. »Lutz Erdmann redet von Ehre! Wenn das nicht mal der größte Witz dieses traurigen Tages ist.«
»Jenau«, rief Luis, »dem trau ick allet zu! Ooch, dat beim Tod seines Vaters nich allet mit rechten Dingen zujejangen is. Bernhard war ein ausjezeichneter Autofahrer. Vielleicht sollte Pippa ihren Bruder auf diese Unjereimtheiten ansetzen, und der rollt dann den Fall noch mal janz von vorne auf. Bei Mordverdacht dürfte doch eine Exhumierung nur so ’ne Formsache sein, oder, Pippa?«
Pippa zuckte zusammen, als sie ihren
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