Unter allen Beeten ist Ruh
ihm endlich den ihm zustehenden Platz auf Schreberwerder einzuräumen. «
»Wieso sollte Dora ausjerechnet dir die Parzelle vamachen? Det is doch ’ne abjefeimte Lüje!« Luis war krebsrot vor Zorn.
Er war drauf und dran, sich auf Lutz zu stürzen, wurde aber von Viktor aufgehalten, der sich erhob und laut um Ruhe bat.
»Liebe Freunde! Ehe die Situation eskaliert, möchte ich euch etwas vorspielen.«
Er ging zum Fernseher mit DVD -Spieler, mit dem die Dauerwohner im Winter ihr wöchentliches Kino veranstalteten. Alle sahen ihn erwartungsvoll an, sogar Lutz verstummte.
»Ich habe hier Doras letzten Gruß an uns. Sie hat sich gewünscht, dass wir alle beisammen sind, wenn wir ihn uns ansehen.«
Er drückte den Startknopf und zog sich in den Hintergrund zurück. Dorabella erschien auf dem Bildschirm. Im Raum herrschte Totenstille.
»Meine lieben Freunde«, sagte Dorabella und lächelte. »Jetzt guckt doch nicht so erschrocken. Ich will mich nur für euer Kommen und die schöne Feier bedanken. Es gibt keinen Grund, traurig zu sein. Ich bin es jedenfalls nicht. Ich bin sozusagen endlich wieder gesund. Und damit es euch allen auch wieder bessergeht, möchte ich euch jetzt meinen letzten Willen mitteilen.«
Alle Anwesenden schnappten kollektiv nach Luft. Lutz Erdmann wurde bleich und biss sich auf die Lippen.
»Vor zwei Stunden habe ich auf Lutz Erdmanns Party meinem lieben Freund Nante versprochen, dass er mit meiner Hilfe die Parzelle von Familie Peschmann kaufen kann. Dabei bleibt es. Pia, Jochen … ich wünsche euch alles Gute in Toulouse. Nante wird sich bestens um eure Parzelle kümmern, da bin ich sicher.«
Peschmanns und Nante starrten sich fassungslos an, und Lutz schrie: »In meinem Testament steht ganz klar, dass ich der Erbe …«
Er wurde von den anderen niedergezischt, da Dorabella weitersprach: »Nante, du bekommst aus meiner Lebensversicherung dreißigtausend Euro, wie versprochen. Schön, dass wir noch gemeinsam etwas gegen Lutz unternehmen können. Viktor bekommt noch einmal die gleiche Summe. Der Rest meiner Lebensversicherung wird aufgeteilt: Jeder der Kästners, Herr X, Luis, die Wittigs, außerdem Bonnie und Daniel und Ida Marthaler bekommen jeweils fünftausend Euro. Zu guter Letzt bleibt noch meine eigene Parzelle, für die ich eine besondere Verwendung habe. Ich habe einen Patensohn, ein gemeinsames Kind meiner lieben, viel zu früh verstorbenen Freundin Marietta Maier und ihres Geliebten Bernhard Erdmann. Dieser Patensohn, Felix Maier, soll meine Parzelle bekommen. Das, liebe Freunde, ist mein letzter Wille, den ich auch schriftlich niedergelegt habe. Viktor und Felix wissen, wo mein Testament zu finden ist. Und nun, meine lieben Freunde, verabschiede ich mich von euch. Ich habe die Zeit mit euch sehr genossen. Lebt wohl und trinkt beim Sonnenuntergang mal ab und an ein Glas auf mich.«
Der Bildschirm wurde schwarz. Die Insulaner saßen schweigend da, zu überrascht und überwältigt von dem, was sie gerade gehört hatten. Niemand achtete auf Lutz, der versuchte, sich unauffällig aus dem Raum zu stehlen, bis Herr X rief: »He, Freundchen, wo willst du denn so plötzlich hin?«, und aller Augen sich Erdmann zuwandten.
Ehe Lutz etwas sagen konnte, fragte Pia Peschmann: »Und wer ist Felix Maier? Kennt den einer von euch?«
Alle schüttelten den Kopf, bis auf Viktor, der jemanden aus dem Hintergrund nach vorne schob. Pippa atmete scharf ein, als sie in dem Konfirmanden mit dem akkuraten Scheitel plötzlich den lässigen Kapuzenträger aus dem Heckenlabyrinth erkannte.
»Der Geocacher?!«, stammelte sie überrascht.
Der junge Mann verneigte sich in ihre Richtung.
»Ich bin Felix Maier«, sagte er.
Kapitel 10
E s war totenstill. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können.
Herr X, immer noch bereit, sich Lutz in den Weg zu werfen, baute sich so breit er konnte vor dem Ausgang auf. Diese Mühe hätte er sich sparen können, denn Lutz war bereits auf dem Weg zu seinem Halbbruder, der lächelnd neben Viktor stand. Felix Maier fühlte sich nicht besonders wohl damit, von allen angestarrt zu werden, wirkte aber dennoch gelassen.
Pippa stellte fest, dass der junge Mann es geschafft hatte, im dramaturgisch perfekten Augenblick praktisch aus dem Nichts unter ihnen aufzutauchen. Sie hatte noch mitbekommen, wie die Peschmanns hereinkamen, aber gleich danach hatte Viktor Dorabellas Botschaft abgespielt, die aller Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatte.
Derlei Feinheiten
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