Unter allen Beeten ist Ruh
zurück, und du versuchst, nicht weich zu werden.«
Pippa nickte. »Und die Haubentaucher allein lenken von meiner Sehnsucht nach Leo leider auch nicht ausreichend ab.«
»Dann ist es ja geradezu ideal, dass Schreberwerder zurzeit so viel Drama zu bieten hat.« Karin hakte sich bei Pippa unter und schob sie Richtung Dorabellas Parzelle. »Ich verteile jetzt die Sträuße an alle und schaue noch mal bei Angelika nach dem Rechten. Vielleicht möchte sie ja doch einen haben. Danach komme ich zu dir, und wir ernten Doras Schlehenwein – und denken darüber nach, wie uns die Welt ganz ohne Probleme gefiele.«
Als Pippa wieder unter der Erle saß und arbeitete, beobachtete sie, wie die Rieke anlegte. Felix stieg aus und ging den Steg entlang zu den aufräumenden Männern, begrüßte sie kurz und packte mit an.
Schon seltsam, wie unterschiedlich Halbbrüder sein konnten. Felix war wirklich nett, und Lutz war … womöglich eifersüchtig auf diesen allseits beliebten jungen Mann?
Pippa gestand sich ein, dass sie es auch nicht besonders erquicklich fände, wenn ihr Vater noch einige Halbgeschwister für sie in petto hätte. Vielleicht war Lutz einfach nur sehr verletzt und schlug deshalb blindwütig um sich.
Unsinn, auch das konnte keine Entschuldigung dafür sein, mitten in der Nacht bei Dora herumzuschnüffeln und ein Testament zu stehlen. Es konnte doch eigentlich nur Erdmann gewesen sein, woher hätte er sonst das von ihm manipulierte Testament haben sollen? Und wenn er noch mehr mitgenommen hatte? Wenn er vielleicht von Doras illegalen Genüssen wusste … Pippa wurde heiß. Wenn das der Fall war, hätte er auch Herrn X in der Hand.
Aber da war Angelikas Aussage, dass Lutz zur fraglichen Zeit bei ihr gewesen sei. Wenn das Alibi stimmte, wer war dann der nächtliche Besucher gewesen?
Felix? Wenn ja – warum? Machte er heimlich gemeinsame Sache mit seinem Halbbruder, und die beiden spielten nur die Kampfhähne, damit Felix sich die Sympathien der Insulaner erschleichen konnte?
Und was würde das bedeuten?
Pippa sah nachdenklich zum Dorfplatz hinüber.
»So wie du aussiehst, denkst du gerade an Lutz«, sagte Karin und setzte sich zu Pippa.
»Ich habe mich gefragt, wem sonst noch ein Einbruch bei Dorabella nützen konnte.«
»Niemandem außer Lutz.«
»Und wenn Angelika nicht gelogen hat? Wenn sie wirklich die ganze Nacht zusammen verbracht haben?«
Karin schüttelte den Kopf. »Nie im Leben. Und selbst wenn – die angeblich erste gemeinsame Nacht, das wird doch mit Champagner begossen, jede Wette. Und wenn die Dame beduselt eingenickt ist, hätte Lutz alle Zeit der Welt gehabt, mal eben bei Dora einzubrechen. Das ist für mich kein Widerspruch. Ich habe dir doch gesagt, dem ist alles zuzutrauen. Betrügen, stehlen, Dokumente manipulieren, so etwas erledigt der kurz vor dem Frühstück. Und ich behaupte, er würde bis zum Letzten gehen, um sein Ziel zu erreichen.«
Pippa sah Karin erstaunt an. »Was willst du mir sagen: kein Unfall, kein Selbstmord – sondern Mord? Ist das dein Ernst?«
Karin dachte einen Moment lang nach. »Keinen blassen Schimmer, ehrlich nicht. Wäre da nicht dieses ganze Theater, würde ich nicht einmal im Traum an Mord denken. Aber so …?«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Pippa.
»Ich weiß nicht, ich habe so ein ungutes Gefühl.« Karin sah Richtung Dorfplatz. »Dorabella war doch eine so organisierte Frau, und dann diese vielen Testamente, die Lebensversicherung … die Parzelle …«
Pippa nickte. »Das stimmt allerdings. Immerhin konnte sie den Verkauf der Parzelle noch rechtzeitig regeln, besonders was die Zuwendung an Nante betrifft.«
Stimmt, Nante profitiert ja auch, dachte sie erschrocken, und das hatte sich erst unmittelbar vor Dorabellas Tod ergeben. Deshalb musste das Testament neu aufgesetzt oder wenigstens rechtsgültig ergänzt werden. Warum hatte das noch in der gleichen Nacht geschehen müssen? So ein Glück, dass auch gleich zwei Zeugen zur Hand waren. Um so kurzfristig zu entscheiden, muss Dorabella verdammt gute Gründe gehabt haben. War das spontane Versprechen an Nante so ein Grund, oder waren da noch andere Kräfte, andere Interessen am Werk? Viktor zum Beispiel hatte nur eine sehr kleine Rente und machte dennoch gerade eine große Reise – einmal um den ganzen Stiefel. Das musste Unmengen kosten.
Pippa wurde eiskalt, eine plötzliche Erkenntnis ließ sie erschaudern: Einer der beiden Zeugen war Viktor. Und der war zur fraglichen Zeit bei seiner
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