Unter allen Beeten ist Ruh
stehen.«
Der kleine Trupp schlenderte zu Luis’ Inselkantine hinüber und verpasste nur um ein paar Sekunden, dass die Haustür bei Lutz aufflog und die Vermissten herausgestürzt kamen.
Schwer atmend standen Pia und Jochen Peschmann auf dem Dorfplatz und sahen Lutz an sich vorbeistürmen. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, sprang er in sein Boot, das am Anleger dümpelte, startete es und fuhr – eine Gischtspur hinter sich herziehend – mit aufheulendem Motor auf die Havel hinaus.
»Da fährt er hin und zeigt mich an«, murmelte Jochen.
Pia umarmte ihn und zog ihn eng an sich. »Glaube ich nicht. Und wenn doch: egal. Die Kinder werden es hier lieben, und ich gehe wieder Betten machen in dem kleinen Hotel in Tegelort. Hat mir damals nicht geschadet und wird mir auch heute nicht schaden. Hauptsache, wir können uns noch im Spiegel ansehen.«
»Ob in meiner Zelle überhaupt ein Spiegel hängen wird?«
Sie küsste ihn lange. »Wenn nicht, bringe ich dir einen. Zusätzlich zum Kuchen mit Feile.«
»So eine Liebeserklärung habe ich nicht verdient«, murmelte Jochen.
Pia lächelte ihn liebevoll an.
»Das sieht man doch an Lutz: Nicht immer bekommt man, was man wirklich verdient. Und jetzt lass uns den Abend mit unseren Freunden genießen. Was morgen ist, werden wir morgen sehen.«
Sie gingen Hand in Hand Richtung Luis’ Parzelle.
Als sie das Vereinsheim betraten, waren die Insulaner vollständig versammelt, nur die Marthalers und die frisch Verlobten glänzten durch Abwesenheit.
Alle Blicke wandten sich ihnen zu, als Jochen Peschmann sagte: »Wir haben euch etwas mitzuteilen. Aber zuerst, Luis, hätte ich gern Whisky. Mindestens vier Finger breit. Hast du noch den von Islay mit ganz viel Torf? Den brauche ich jetzt.«
Luis nickte und brachte ihm das Gewünschte.
Jochen stürzte das Getränk in einem Zug herunter. Dann berichtete er von dem Vorfall mit Lutz und dass sie beschlossen hatten, seiner Erpressung nicht nachzugeben. Er ließ kein Detail aus, auch nicht seine ehemalige dunkle Verbindung zu Lutz Erdmann.
Atemlose Stille folgte, als er geendet hatte.
Das ist echter Krimistoff, dachte Pippa, und ich würde ihn Unter allen Beeten ist Unruh ’ nennen. Kein Mensch würde glauben, dass diese Idylle in Wirklichkeit ein brodelnder Vulkan kurz vor dem Ausbruch ist …
Der Erste, der sich wieder regte, war Matthias. Er stand auf, ging zu Jochen Peschmann und streckte ihm die Hand hin.
»Du hast Mut, Jochen. Ich glaube, ich spreche für alle, wenn ich sage, dass ihr unsere volle Unterstützung habt, sollte Lutz es wirklich wagen, dich anzuzeigen.«
Er sah in die Runde, und alle nickten und murmelten beifällig.
Karin nahm Pia in den Arm. »Dann warten wir hier mal gemeinsam auf das, was kommt.«
»Heißt das, wir bleiben wirklich hier?«, fragte Daniel. Sein Blick flog zu Lisa, die vor Freude errötete.
»Kommt drauf an«, sagte sein Vater, »wir wissen nicht, was als Nächstes passiert. Wenn die Polizei gleich anmarschiert und mich verhaftet …«
»So schnell schießen die Preußen nicht«, warf Pippa ein, »die verhaften dich doch nicht, nur weil Lutz bei denen aufkreuzt und irgendwelche Dinge behauptet.«
»Die allerdings wahr sind, fürchte ich«, sagte Jochen.
»Trotzdem. Du wirst ja nicht eines Mordes beschuldigt. Wenn allerdings Ermittlungen aufgenommen werden, kann es sein, dass du die Stadt nicht verlassen darfst.«
»Super!«, entfuhr es Daniel unwillkürlich. Schnell sah er schuldbewusst auf den Boden.
»Wie auch immer.« Jochen drückte die Schultern durch. »Wir lassen uns nicht kleinkriegen. Und unsere Parzelle bekommt niemand, der sie nicht verdient.«
»Genau!«, rief Herr X, der plötzlich aus seiner Starre erwachte. »Wir lassen ihn alle abblitzen! Wenn wir zusammenhalten, kann er sich seine Pläne abschminken.«
»Der soll bloß vorsichtich sein«, grollte Luis, »meene Freunde erpresst keener unjestraft! Ick würd’ dem am liebsten den Hals umdrehen. Oder teeren un federn un ausse Stadt jagen! Wir müssen uns nich bieten lassen, dat so’n Kanallje uff Schreberwerder unjestraft sein Unwesen treibt. Wenn ick den dat nächste Mal sehe …«
Er schnaufte und überließ es der Phantasie der Anwesenden, was er dann mit Lutz tun würde.
Jochen klopfte Luis auf die Schulter. »Was immer es ist – ich bin dabei. Und hinterher beten wir für den Weltfrieden!«
Alle lachten, und die Spannung der letzten Minuten ließ spürbar nach.
»Und jetzt gebe ich zwei Runden für
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