Unter aller Sau
seine Hände um den Hals dieses Affen legen und langsam zudrücken würde. Erwin dagegen holte sein Handy aus der Jackentasche und drückte sich flink durchs Menü, bis er bei der Fotogalerie angekommen war.
»Da, das ist er.« Er präsentierte Gisela und Lederer auf seinem Display einen verschwommenen Schatten im Querformat. Mit viel Fantasie konnte der graue Fleck als männlicher Waldspaziergänger mit Gehstock durchgehen. Von hinten. Gisela wagte kaum, Lederer anzuschauen, so peinlich war ihr die Vorführung ihres Mitarbeiters.
»Näher sind wir nicht rangekommen, sonst hätt er uns bemerkt.« Erwin erkannte an Giselas Gesichtsausdruck, dass er noch eine Schippe nachlegen musste. »Aber ich glaub, ich hab den schon mal gesehen, im Frühling, auf’m Schützenfest in Grünharding, da hat der am Ausschank zwei Wein geholt.«
»Ich auch«, brummte Richie.
Gisela und Lederer glotzten ihn fragend an.
»Ich hab den auch am Ausschank gesehen. Auf dem Schützenfest.«
»Ich glaub, Sie beide waren etwas zu lange an besagtem Ausschank, was?«, raunzte Lederer sie an.
»Moment«, mischte sich Gisela ein. »Sie haben keinerlei Grund, an den Aussagen meiner Mitarbeiter zu zweifeln.«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass der das war«, hakte Erwin sofort nach. Er streckte das Kinn kämpferisch vor. »So ein Gesicht gibt’s nicht oft.«
»Wieso, was ist denn mit dem Gesicht?«, sagte Lederer.
»Der hat bloß noch ein Auge.«
»Ein Einäugiger quasi«, ergänzte Richie bräsig. »Gibt’s nicht viele hier von der Sorte, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Lederer schaute tief in die dunklen Augen Richies, suchte nach einem Funken Häme oder Ironie, aber er fand nichts als pure Ausdruckslosigkeit. Lederer wandte sich Erwin zu.
»Wissen Sie noch, wo Sie hier überall rumgegangen sind?«
Erwin sah sich um, deutete auf sein Erbrochenes.
»Also, da drüben war ich auf jeden Fall schon mal, und dann …« Er zuckte mit den Achseln, sein Blick wurde fast entschuldigend. »Also, irgendwie kann ich mich gar nicht mehr richtig erinnern.«
Richie deutete auf die Kotze.
»Erwin war dort, ich hier«, er zeigte neben sich. »Danach sind wir beide da rüber.« Sein Zeigefinger richtete sich auf den Baum, bei dem Gisela sie angetroffen hatte. »Die Chefin ist von dort zur Leiche, wieder zurück zu uns, dann zum Hohlweg. Wir sind da drüben sitzen geblieben, bis wir die Schritte gehört haben und den Einäugigen dort hinten gesehen haben.« Er wies zwischen die Bäume am anderen Bachufer. »Von wo wir ihm dann den Hügel runter gefolgt sind.«
Sein Blick richtete sich wieder auf Lederer. »Und dann hat uns die Chefin angerufen, und wir sind den Weg da zurückgekommen.« Mit dem letzten Satz deutete er knapp an Lederer vorbei auf die Stelle, wo sie vor wenigen Minuten aufgetaucht waren.
»Haben Sie geraucht, gegessen oder getrunken?«
»Also, ich hab heut zum Frühstück bloß ein Weißbier gehabt«, sagte Richie. »Zum Glück, weil sonst hätt es mich genauso gehoben wie den Erwin.«
»Ich mein nicht zum Frühstück, sondern hier. Am Tatort.«
»Glauben Sie wirklich, bei so was krieg ich noch was runter oder rauch gemütlich eine?«, sagte Erwin. »So abgebrüht sind wir dann auch wieder nicht.«
»Den tiefen Teller haben Sie beide auch nicht erfunden, was?«, knurrte Lederer.
Richie und Erwin schauten hilfesuchend zu Gisela.
»Er will wissen, ob ihr möglicherweise Spuren hinterlassen habt, die nicht vom Täter sind.«
»Warum fragt er das denn dann nicht?«, klagte Erwin.
»Weil ich dachte, Sie haben etwas Ahnung von Polizeiarbeit, meine Herren, aber anscheinend muss ich bei Ihnen alles bis ins Kleinste ausformulieren.«
Gisela funkelte Lederer wütend an.
»Jetzt hören Sie auf, hier rumzuschreien. Fordern Sie endlich die Spusi an. Wir zwei warten bei der Wache, und meine Kollegen bleiben so lange hier und sichern den Tatort.«
»Sichern den Tatort«, lachte er auf. »Sie hatten noch nie mit einer Leiche zu tun, oder?« Gisela gab keine Antwort, kniff nur die Lippen zusammen. »Sie wissen doch nicht einmal, dass man einen Trampelpfad anlegt, um keine Spuren zu vernichten, Sie wissen wahrscheinlich auch nicht, dass Sie Ihre Beobachtungen, und zwar alle, selbst wenn sie Ihnen unwichtig erscheinen, schriftlich festzuhalten haben.«
»Und Sie wissen anscheinend nicht, dass man eine Leiche nicht anfasst oder deren Lage verändert, solange der Auswertungsangriff noch nicht abgeschlossen worden ist. Und dass man zur
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