Unter aller Sau
fünf Damen im Alter von neunzehn bis einundzwanzig im Paradies. Alle stammten aus Rumänien, alle hatten eine gültige Arbeitserlaubnis, und in der Datenbank der Polizei gab es keinerlei Einträge, die auf eine Verbindung der jungen Frauen zum Rotlichtmilieu schließen ließen. Die Kröte, ebenfalls Rumänin, war offiziell die Geschäftsführerin der Schönheitsfarm und konnte ein Diplom als ausgebildete Masseurin und Kosmetikerin vorweisen. Sie lebte seit über dreißig Jahren in Deutschland, war kurzzeitig mit einem Autohändler aus Freising verheiratet gewesen und hatte mit einem kleineren Kosmetiksalon in Landshut vor einiger Zeit eine Privatinsolvenz hingelegt.
»Die muss doch jemanden haben, der sie finanziert«, wunderte sich Gisela, nachdem Lederer die Daten der Kröte ausgedruckt hatte. Er hatte seinen Dienstlaptop an Giselas LAN -Dose angeschlossen, denn der war zehnmal schneller als der veraltete PC in Giselas Büro. Mittlerweile war es Abend geworden, Giselas Männer waren längst im Feierabend.
»Wenn es sich bei dieser Beautyfarm um ein Bordell handelt, dann steckt da ziemlich sicher ein Finanzier aus dem Milieu dahinter. Aber solange wir keine handfesten Indizien dafür finden, können wir da nicht weiterstochern.«
»Der Herr Köhler hat doch mit der Adresse ein Indiz geliefert.«
»Schon. Er wird offiziell jedoch abstreiten, jemals in dem Etablissement gewesen zu sein. Das war sozusagen eine Information in einem Gespräch unter Männern. Gegenüber der Staatsanwältin könnte ich nicht einmal begründen, wieso wir zu der Beautyfarm gefahren sind.«
Gisela bezweifelte, dass es nur ein Gespräch unter Männern war, das den Buchhändler zur Herausgabe der Adresse verleitet hatte. Lederer hatte sicher die Daumenschrauben angelegt, um mehr über die Beziehung zwischen Köhler und der Toten zu erfahren. Vermutlich hatte er die dominante Mutter Köhlers als Druckmittel eingesetzt. Wenn die erfahren würde, was der Herr Sohn hinter ihrem Rücken machte, wäre der Teufel los. Überdies würde sich die Geschichte rasend schnell in Niedernussdorf herumsprechen, und alle würden Köhler mit verstohlenen Blicken mustern und hinter seinem Rücken tuscheln. Das Ansehen war die wichtigste Währung für einen Dorfbewohner, noch dazu, wenn man Geschäftsmann war und die Mutter im Gemeinderat saß, wo es genug politische Gegner gab, die der Alten ohne weiteres an den Karren fahren würden.
»Ich würd jetzt gerne mit Ihrer rumänischen Freundin sprechen«, sagte Lederer. »Vielleicht hat die Informationen für uns, die wir anderswo nicht kriegen.« Er hob beide Hände, als wolle er Gisela beweisen, wie sauber die Innenflächen seien. »Ich geb schon nicht den bösen Bullen.«
»Das möcht ich Ihnen auch raten, sonst stutz ich Ihnen ganz schnell die Hörner.«
Während Gisela Lederer mit zu sich nach Hause nahm, saßen Erwin und Richie im Wirtshaus Zum Wilden Bock am Stammtisch und gönnten sich ein paar Helle. Nach der vierten Halben verfiel Richie in einen dämmrigen Zustand, in dem seine Gedanken um Ionela kreisten. War er grundsätzlich schon wenig redselig, öffnete er nun seinen Mund nur, um das Bier in die richtigen Bahnen zu lenken. Erwin hingegen vertrug bei weitem nicht so viel wie sein Kollege, und nach dem vierten Glas waren die Stammtischbrüder, der Wirt, die Bedienung und alle anderen Gäste über den gegenwärtigen Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden. Fritz, der klapprige Postbote mit dem Silberblick und den abstehenden Ohren, war schockiert, dass das Böse Einzug in die Idylle von Niedernussdorf gehalten hatte. Was wiederum die Diskussion auslöste, ob das Böse nicht schon immer in und um Niedernussdorf gewohnt hatte. Wie war das mit dem Erbstreit auf dem Gruberhof gewesen, wo der alte Gruber seinen Bruder mit einer Mistgabel fast erstochen hätte, oder der Vorfall mit der alten Mathilda, von deren Ableben der Rentenversicherung keinerlei Bericht abgegeben worden war, um weiter die Rente zu kassieren. Die Familie hatte die Leiche zuerst an die Schweine verfüttern wollen, sie dann doch verbrannt, damit keiner draufkam, was gespielt wurde. Offiziell war die alte Mathilda verreist gewesen.
Die Schauergeschichten über das Böse uferten mit steigendem Alkoholpegel aus, bis sich alle irgendwann einig waren, dass der Teufel persönlich Schneewittchen so zugerichtet hatte. Dem Pfarrer war das zu viel des Guten, und man verständigte sich ihm zuliebe darauf, dass, wenn schon nicht der
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