Unter aller Sau
wird, haben wir sie. Was meinen Sie?«
»Also, ich kann das nicht machen, mich kennt die nette Dame am Empfang ja jetzt. Und meine Kollegen – die sind alle verheiratet oder schwul.«
»Dann nehmen wir einen von meinen Kollegen.« Entschlossen leerte Gisela ihr Stamperl. »Die sind alle ungebunden und moralisch gefestigt.«
Lederer starrte sie entgeistert an. »Das meinen Sie nicht ernst, oder?«
Gisela runzelte die Stirn. »Doch. Wieso?«
Lederer räusperte sich. »Liebe Frau Wegmeyer, die Qualitäten Ihrer Mitarbeiter als Polizisten sind mehr als fragwürdig, ich will mir gar nicht vorstellen, wie die als … Männer sind.«
Gisela stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch, fixierte Lederer. »Ich sag Ihnen mal was, meine Männer sind echte Männer, nicht so weichgespülte Abziehbilder, wie Sie sie vielleicht kennen. Der Richie war Drummer in einer Schülerrockband, was der alles mitgenommen hat, das glauben Sie gar nicht. Der Erwin, der schaut zwar nicht so aus, aber der hat’s faustdick hinter den Ohren. Der hat eine Art, dass die Mädels glauben, er ist geheimnisvoll, dabei redet der halt nur nicht gern. Das bindet der seinen Verehrerinnen natürlich nicht auf die Nase, weil er weiß, dann geht da nix mehr.«
»Und der Dicke?«
»Der Schorsch?« Gisela senkte die Stimme. »Der war schon mal verheiratet. Mit einer Schwedin. Die war Seiltänzerin bei einem Wanderzirkus. Außerdem Großmeisterin im Tantra, von der hat der einiges über Chakras gelernt, das kann ich Ihnen sagen.«
»Die sind nicht mehr verheiratet?«
»Drei Wochen nach der Hochzeit waren sie wieder geschieden. Er wollte, dass sie bleibt, sie wollte, dass er mit ihr geht. Es war ein tränenreicher Abschied.«
Gisela versank für einen Moment in den Erinnerungen. Lederer machte ein schnalzendes Geräusch mit der Zunge, seine Miene war skeptisch. »Ich weiß nicht.«
»Einen Versuch wär es wert, oder?«
Lederer stemmte sich hoch. »Ich denk drüber nach.«
Gisela brachte Lederer zum Auto. Er fuhr los, krachte beinahe in einen Audi, der auf den Hof raste. Die beiden Männer hinter den Lenkrädern erdolchten einander mit finsteren Blicken.
Gisela fiel ihrem Verlobten Ludwig um den Hals, kaum dass der ausgestiegen war, und knutschte ihn mit einer Leidenschaft, die ihm die Luft raubte. Sie hatte ihn erst einen Tag später von seinem Weiterbildungsseminar zurückerwartet. Außerdem sah er in seinem dunkelblauen Versicherungsvertreteranzug einfach sexy aus.
»Was wollte denn der Hansl da?«, fragte Ludwig, als Gisela seine Lippen wieder freigab.
»Wir sind an einem Mordfall dran.«
Ludwig, der so aussah, als hätte er Sodbrennen, legte den Kopf leicht schief.
»Und da müsst ihr miteinander schnapseln?«
Gisela grinste. »Bist eifersüchtig?«
»Auf das Hemd? Ha! Ich hab nur geglaubt, im Dienst darfst du nichts trinken.«
»Bist ja doch eifersüchtig.« Nach acht Jahren kannte sie ihren Ludwig nur zu gut. Die Eifersucht verlieh seiner Stimme und seinem Gesicht eine Knorrigkeit, die Gisela über alles liebte. Sie presste ihr heißes Gesicht an Ludwigs Wange und flüsterte ihm ins Ohr, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Statt einer Antwort küsste Ludwig seine Gisela leidenschaftlich, die Sterne blitzten auf, und die Eifersucht war wie weggeblasen.
Ionela war am nächsten Morgen die Zweite in der Küche. Jakob hockte auf der Eckbank und malte mit Buntstiften die Kästchen eines Kreuzworträtsels aus.
»Guten Morgen«, sagte Ionela. Jakob schaute nicht auf, mit Grün füllte er zwei Kästchen. Ionela wandte sich der Kaffeemaschine zu.
»Wie geht’s deinem Rücken?«
Ionela drehte sich zu Jakob um. Der Alte schaute sie mit großen Augen an.
»Äh, ich hab keine Beschwerden, danke.«
»Vielleicht hat der Arzt doch recht und wir sollten mal Urlaub machen.« Er nahm einen Blaustift, senkte seinen Kopf wieder über das Kreuzworträtsel. »Wir fahren an den Gardasee. Ich ruf den Luigi an, der soll uns das Hochzeitszimmer herrichten.«
Jakob lebte immer häufiger in der Vergangenheit. Die Pfefferminzbonbons, die Gisela über das Internet bestellt hatte, lutschte er fleißig und mit Genuss, die Hühner fütterte er zweimal täglich ohne Probleme, und von seinem täglichen Spaziergang, der ihn eine Stunde lang auf einem Rundweg um Niedernussdorf führte, kehrte er pünktlich zurück. Und doch musste Gisela jeden Augenblick damit rechnen, dass er zu solchen Tätigkeiten nicht mehr fähig sein würde. Jedenfalls nicht ohne Aufsicht.
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