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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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Teufel, zumindest ein Auswärtiger im Spiel gewesen sein musste.
     
    Die Niedernussdorfer ahnten nicht, wie treffsicher ihre Vermutung war. Ionela saß Lederer in Giselas Küche gegenüber und erzählte von ihrer kleinen Schwester Danijela, von dem großen Traum, so viel Geld zu besitzen, dass man den Eltern ein Haus kaufen könne, und von den Männern, die die Diskotheken und Clubs Bukarests nach solchen Mädchen durchkämmten. Vor einem halben Jahr war Danijela am Morgen nicht mehr in ihrem Zimmer gewesen. Ionela hatte alle Freundinnen und Freunde abgeklappert, keiner hatte sagen können, wo sie war. Zuletzt war sie in einer Nobeldisko gesehen worden, in der die Oligarchen Rumäniens berüchtigte Partys feierten. Minderjährige Schönheiten waren sich nicht zu schade, nackt auf den Tischen zu tanzen oder in dunklen Nischen die reichen Männer zu verwöhnen, um in den Genuss von Champagner oder ein paar Euros zu kommen. Für ein paar Stunden gehörten sie dazu. Manchmal auch für ein paar Tage. Spätestens dann wurden die Mädchen durch neue Partygirls ersetzt, und so manche folgte den falschen Versprechungen falscher Freunde, im westlichen Ausland liege das Geld auf der Straße. Ionela und ihre Eltern hatten drei Monate vergeblich darauf gewartet, dass die Polizei eine Spur von Danijela fand. Kurz vor Pfingsten erreichte die Familie eine Postkarte. Sie war von Danijela, und sie schrieb in dürftigen Worten, dass es ihr gutgehe und sich niemand um sie sorgen müsse. Weder die Eltern noch Ionela waren erleichtert, die Polizei hingegen entfernte Danijela daraufhin aus ihrer Vermisstenliste. Schließlich war sie volljährig, und es gab ein Lebenszeichen.
    So einfach machte es sich Ionela nicht. Sie hatte sich sofort unbezahlten Urlaub genommen und war vor zwei Wochen in das Dorf gefahren, in dem die Postkarte abgeschickt worden war. Grünharding. Jeden Friseursalon in der Umgebung hatte sie abgegrast, um Danijela zu finden. Die junge Frau war in Bukarest in Ausbildung zur Friseuse gewesen, es war Ionelas einzige Hoffnung, sie ausfindig zu machen.
    Ionelas charmantes Deutsch, ihr melancholischer Blick und die sanfte Geste, mit der sie ihre Haare aus dem Gesicht hinter die Ohren strich, bezauberten Lederer auf eigentümliche Weise. Selbst wenn er gewollt hätte, bei Ionela wäre er nie mit brachialer Polizeigewalt vorgegangen, sondern immer behutsam und verständnisvoll. Sie weckte mit ihrer Art einen Beschützerinstinkt, den Lederer schon lange nicht mehr empfunden hatte. Gisela spürte sofort die veränderte Grundhaltung Lederers, und als sie den Glanz in seinen Augen sah, wusste sie, was Sache war.
    Ionela tat es gut, ihr Herz auszuschütten, ihre Tränen versiegten allmählich. Kurz vor Mitternacht war sie sogar in der Lage, über Lederers kleine Anekdote zu lachen, in der er von den beiden Hasen erzählte, die er als Junge hatte. Seine Eltern waren der Meinung gewesen, dass es sich um zwei Männchen handelte, was sich nach wenigen Wochen als eklatante Fehleinschätzung herausgestellt hatte. Gisela fand die Geschichte wenig witzig und fühlte sich in ihrer Vermutung bestätigt, dass Lederer keinen Humor hatte. Schließlich wies sie Ionela das kleine Gästezimmer unter dem Dach zu und genehmigte sich mit Lederer noch einen Absacker.
    »Schlauer sind wir jetzt aber auch nicht, was das Paradies anbelangt«, meinte Gisela nachdenklich.
    »Wir bräuchten die Namen der Freier Danijelas. Einer von denen wird sicher reden, und wenn einer umfällt, fallen die anderen auch um. Mit dem Verdacht der Zwangsprostitution würde die Staatsanwältin beim Richter einen Durchsuchungsbeschluss erwirken können.«
    »Tja, mehr als den Köhler haben wir nicht, oder?«
    »Leider.«
    Beide kippten den selbstgebrannten Bärwurz auf Ex weg. Der scharfe Schnaps zog Lederers Lungenflügel zusammen, so dass er tief Luft einsaugen musste, um nicht zu husten.
    »Was, wenn eines von den Mädchen aussagt?«, fragte Gisela. »Ich mein, wenn wir eine von diesen Kosmetikerinnen dazu kriegen, aus dem Nähkästchen zu plaudern?«
    »Das wär wunderbar«, quetschte der Hauptkommissar heraus. »Mehr als ein Traum wird das leider nicht werden, fürchte ich.«
    Gisela goss sich das Stamperl noch mal voll. Sie hielt Lederer die Flasche hin, er schüttelte den Kopf, legte die flache Hand über sein Stamperl.
    »Wir schleusen einfach einen Maulwurf ein«, sagte Gisela. Die Idee gefiel ihr. »Er macht einen Termin im Paradies aus, und sobald die Dame tätig

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