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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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im Kindergarten?«
    Erwin rappelte sich auf, brachte seine Uniform in Ordnung. Ein Auge dabei wachsam auf Richie gerichtet, der mit blutunterlaufenen Augen auf die Gelegenheit wartete, sich erneut auf Erwin zu stürzen. Gisela wusste das, und sie wusste auch, was dagegen zu tun war. Richie empfing eine schallende Ohrfeige, die ihn aus seiner angriffslustigen Haltung wieder in die Senkrechte brachte.
    Gisela deutete auf ihr Büro. »Du gehst jetzt da rüber und bleibst da, bis wir hier fertig sind.«
    Der mörderische Glanz verschwand aus Richies Augen. Er trollte sich, schloss die Bürotür hinter sich. Gisela schaute zu Erwin. »Dass du auch immer deine Klappe aufreißen musst. Um was geht’s denn da überhaupt?«
    »Mei, der steht halt auf diese Dingsbumswitschi.«
    »Ah, und da musst du noch reinbohren.«
    »War doch bloß Spaß«, maulte Erwin.
    Gisela seufzte über die Unbelehrbarkeit ihrer Männer. Sie drehte sich zu Lederer um. Der stand regungslos da, sein Blick hatte etwas Verlorenes, als hätte er gerade eine außerkörperliche Erfahrung gemacht. Gisela hatte keine Lust, sich von ihm irgendwelche überflüssigen Kommentare anzuhören, deshalb wandte sie sich an Erwin und Schorsch.
    »Also, ihr zwei, ihr macht das mit dem verdeckten Ermitteln.« Der scharfe Ton ihrer Stimme ließ die beiden Männer ihren Blick senken.
    »Aber ich geh mit dem nicht gemeinsam da hin, damit das klar ist«, sagte Erwin. »Also, flotter Dreier oder so, das kannst du gleich vergessen, eher kündig ich und geh zur Müllabfuhr.«
    »Seit wann bist du denn so gschamig?«, stichelte Schorsch.
    »Ich hab bloß keine Lust, dich nackt zu sehen, du …«, erwiderte Erwin, bevor Giselas Stimme schneidend dazwischenfuhr.
    »Ist jetzt Ruhe!« Sie schaute zu Lederer, dessen verlorener Blick einen trüben Glanz bekommen hatte.
    »So, ich denk, das wär geklärt«, sagte Gisela. »Wollen Sie noch was sagen?«
    Lederer brachte ein winziges Kopfschütteln zustande.
     
    Ionela und Jakob saßen auf einer Parkbank im Schatten einer alten Eiche, ganz oben auf dem Klosterberg. Von hier hatte man einen herrlichen Blick über das flache Land mit den unzähligen Feldern, die hauptsächlich im Gold des Hafers schimmerten.
    »Da oben hab ich dich zum ersten Mal gesehen«, sagte Jakob. Er deutete mit seinem knotigen Zeigefinger auf die Klosterschule. »Da, bei dem kleinen Fenster.«
    Ionela folgte dem Finger. Die Klosterschule war ein mehrstöckiges Gebäude mit vielen großen Fenstern. Eines davon, unter dem Dach, an der Ecke, war nur halb so groß und wirkte verschämt ob seiner unterentwickelten Maße.
    »Ich bin hier gesessen, und du hast dir am Fenster die Haare gemacht.« Ein Lächeln zu Ionela. »Du hast gesehen, dass ich zu dir geschaut hab, und dann hast du mir gewunken.«
    Jakob nahm sanft Ionelas Hand. Sein Blick glitt wieder hoch zu dem Fenster, in dem sich der blaue Himmel spiegelte. Ionela betrachtete lange Jakobs Profil, behielt ihre Hand in seiner. Sie erinnerte sich daran, was Gisela am Morgen zu ihr gesagt hatte.
    »Es sah so romantisch aus, du unter dem Baum. Ich spürte sofort im Herzen, dass wir zueinander gehören.« Danach schwiegen sie, bis sie wieder am Wegmeyerhof waren. Die ganze Zeit über hatte Jakob Ionelas Hand gehalten. Er war glücklich.
    Schorsch stand in dem einzigen Telefonhäuschen Niedernussdorfs, den Hörer ans Ohr gepresst, auf der Oberlippe Schweiß. Er merkte gar nicht, dass vor dem magentafarbenen Glaskasten der Postbote Fritz und dessen Frau Doris, die örtliche Krankenschwester, stehen geblieben waren und sich wunderten, was ein Polizist in einem Telefonhäuschen machte, wenn er doch ein Diensttelefon und ein Handy hatte. Schorsch starrte auf den Zettel in seiner zitternden Hand. Darauf stand die Telefonnummer des Paradieses und der Name Jana. Am anderen Ende tutete es noch eine Zeitlang, schließlich meldete sich die Kreidestimme der Kröte.
    »Beautyfarm Paradies, guten Tag.«
    Schorschs Lippen bewegten sich lautlos. Er räusperte sich, nahm neuen Anlauf, seine Stimmbänder versagten erneut ihren Dienst.
    »Hallo?«, tönte die Kröte aus dem Hörer.
    Schorsch pumpte Luft in seine Lunge und stieß sie zusammen mit einem Satz wie einen Pistolenschuss heraus. »Grüß Gott, ich möchte gerne einen Termin bei Jana, es geht um eine Massage, die ist mir da als sehr toll empfohlen worden.«
    »Sehr gerne. Waren Sie schon mal bei uns?«
    Schorsch schüttelte den Kopf. »Äh, nein, es … es ist mein erstes

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