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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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Ständer klappte scheppernd ein. Mit ein paar kräftigen Schritten rollte sie rückwärts, um zu wenden. Ionel machte einen kleinen Sprung zur Seite, sonst hätte sie ihn gerammt. Mit seinen Händen umklammerte er Ionelas Handgelenke. Seine Augen suchten ihren Blick.
    »Du bist Danijelas Schwester, stimmt’s? Die gleichen Augen.«
    »Lassen Sie bitte los.«
    »Was suchst du hier, hm?«
    Er beugte sich so weit vor, dass es Ionela vorkam, als würde er sie beschnüffeln, um ihre Angst zu riechen. Und Ionela hatte Angst. Sie wollte es nicht zeigen, sie wusste, dass Angst sie in den Augen dieses Tieres zu einem Spielball machte. Sie spürte tief in ihrem Innern einen heißen Knoten wachsen. Sie dachte an Danijela, sie dachte daran, wie sie mit Ionel getanzt, geflirtet, geschlafen hatte, wie er sie verprügelt, misshandelt, gebrandmarkt hatte. Der Knoten vermischte sich mit Gallenflüssigkeit, ihr ganzer Leib schien zu glühen. Sie roch seinen Bieratem, sein würzig-herbes Parfüm verätzte ihr die Nasenschleimhäute, seine feurigen Augen brannten ihr Löcher ins Gesicht. Der Knoten wurde zu groß für ihren Körper, sie spürte die Hitze wie Lava aufsteigen.
    Sie erbrach sich auf Ionels maßgeschneidertem Anzug. Er machte einen erschrockenen Hüpfer zurück, ließ Ionela los. Reaktionsschnell drehte sie den Gashebel bis zum Anschlag zurück, das Mofa machte einen Satz an Ionel vorbei und düste mit kreischendem Motor auf die Straße.
    Er schaute ihr verdutzt nach, überwand diesen Moment jedoch rasch und prägte sich das Kennzeichen des Mofas ein, bevor es um die Ecke verschwand. Ein wölfisches Lächeln verzog Ionels Gesicht. Er hatte einen guten Kontakt in der Versicherungsbranche, der bestimmt den Halter des Mofas ausfindig machen konnte.
    Als Ionela das Ortsschild Grünhardings hinter sich gelassen hatte, bog sie hinter ein Bushäuschen ein, stellte den Motor ab und lugte mit großen Augen die Straße entlang, ob die Lichter eines Wagens auftauchten. Aber es kam kein Auto. Nichts Beängstigendes war zu sehen oder hören. Die laue Luft umfing sie wie eine schützende Decke, die Zikaden sangen ein beruhigendes Lied, und Glühwürmchen schwirrten geschäftig herum. Ionelas Herzschlag verlangsamte sich allmählich, und sie schmeckte den bitteren Geschmack der Galle auf ihrer Zunge. Sie spuckte ein paarmal ins Gras, wischte sich den Mund mit dem Ärmel ihres Kleides ab und machte sich auf die Rückfahrt zu Giselas Hof.
     
    Gisela lag mit Ludwig in einer Hängematte auf dem Balkon. Wegen der warmen Nacht hatten beide nur ihre Unterwäsche an. Ludwig zog genüsslich an einer Zigarette, sein Kopf ruhte auf Giselas Schulter. Ein Flugzeug schmuggelte sich als blinkender Lichtpunkt an den funkelnden Sternen vorbei.
    »Sollen wir nicht mal heiraten?«, meinte Ludwig mit seiner tiefen Stimme unvermittelt.
    Gisela wandte ihre Augen überrascht vom Nachthimmel ab, hatte aber nur den Haarkranz im Blick, der Ludwigs Kopf umrahmte wie ein flauschiges Hufeisen.
    »Wieso das?«, sagte sie.
    »Weil ich keine andere mehr mag.«
    »Das kannst doch jetzt noch gar nicht sagen. Wer weiß, welche Frauen dir die nächsten Jahre über den Weg laufen.«
    Ihre Finger fuhren zärtlich durch seine Haare. Ludwig schaute auf die Glut seiner Zigarette.
    »Die können mir den Buckel runterrutschen«, sagte er. Wie zur Bekräftigung inhalierte er ein letztes Mal und drückte die Kippe aus.
    »Hast du nicht das Gefühl, es passt?« Er verdrehte seinen Kopf, um ihr ins Gesicht zu schauen.
    »Schon lang«, sagte Gisela und drückte ihm ein Küsschen auf die Stirn. Mit einem seligen Lächeln legte Ludwig seinen Kopf an Giselas Brust. Beide hielten sich schweigend umarmt. Motorknattern näherte sich.
    »Ah, da kommt unser Gast wieder«, sagte sie. Sie sah das Scheinwerferlicht näher kommen.
    »Magst die nicht anstellen? Als Pflegekraft?«, fragte Ludwig. »Die hat einen super Umgang mit dem Jakob. Seitdem die da ist, da hab ich das Gefühl, er ist ausgeglichener.«
    »Das liegt nur daran, dass er meint, sie ist meine Mama.«
    »Jede Medizin ist recht, wenn’s ihm nur bessergeht, oder?«
    Gisela spürte einen Anflug von Trauer, als sie über ihren Vater nachdachte. Wer wusste, wann sich dieser Zustand wieder verschlechtern würde, wann er so verwirrt sein würde, dass er niemanden mehr erkannte.
    »Und du bist auch ausgeglichener«, sagte Ludwig.
    Gisela musste ihm recht geben. Ionelas Hilfe war eine ungeheure Erleichterung für sie. Wie oft war sie in

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