Unter aller Sau
Besonderen nichts zu tun, gar nichts.«
Gisela zuckte mit den Schultern.
»Wenn Sie’s sagen.«
Sie suchten Köhler in dessen Einfamilienhaus am Rande des Neubaugebietes auf. Der Buchhändler wollte sich noch eine Woche Ruhe gönnen, bevor er wieder in den Laden zurückkehrte. Er hatte vor, den ganzen Tag im Garten unter dem riesigen orangefarbenen Sonnenschirm zu liegen und sein Lieblingsbuch »Krieg und Frieden« noch einmal in Ruhe zu lesen. In der Urfassung von 1867 , die sich in wesentlichen Handlungsteilen von der Erstausgabe 1869 unterschied. Seine Mutter schwirrte wie eine besorgte Glucke um ihn herum, brühte ihm frischen Tee auf, sobald die Kanne leer war, kochte ihm eine Kartoffelsuppe mit Speck und kleinen gerösteten Toastbrotwürfeln, und sobald er einmal die Augen schloss, um die Worte Tolstois in seinem Herzen blühen zu lassen, nahm sie ihm vorsichtig die Lesebrille ab und kippte den Sonnenschirm in die beste Position, damit er schön im Schatten lag. Das Leben war herrlich.
Seine Mutter räumte gerade leise den leeren Suppenteller weg, als die beiden Polizisten am Gartenzaun auftauchten. Die alte Dame legte schnell einen Finger an die Lippen, zog die Augenbrauen böse zusammen, um jegliches Wort im Ansatz zu ersticken.
»Grüß Gott, wir müssten Ihren Sohn noch mal sprechen«, drang Lederers Stimme in den Garten ein. Absichtlich etwas lauter, wie Gisela feststellte. Dieser Kerl würde sich nie ändern.
Köhlers Mutter warf einen kurzen Blick auf ihren Sohn, der jedoch weiter vor sich hin döste. Mit dem Teller in der Hand huschte sie zum Gartenzaun.
»Was wollen Sie denn noch?«, zischte sie Lederer und Gisela an.
»Ihr Sohn muss seine Aussage noch mal wiederholen«, zischte Lederer zurück.
»Gar nichts muss er. Ich hab bereits mit Ihrem Chef telefoniert, er wird Ermittlungen wegen Ihres groben Verhaltens gegenüber meinem Sohn einleiten. Und damit seine Gesundheit nicht noch einmal unter Ihren Methoden leidet, möchte ich Sie bitten, sich zu entfernen. Und zwar schnellstmöglich.«
Die alte Dame sprach in einem ruhigen Ton, der schon fast beiläufig klang, aber darunter hörte man den Schleifstein die Messer wetzen.
»Von solchen Ermittlungen weiß ich nichts«, platzte Lederer heraus. Gisela sah eine Zornesader an seiner Schläfe dick werden und fragte sich, ob es möglich war, dass sie platzte.
»Und solange mein Chef mir keinerlei Anweisungen gibt, mich in mein Büro zu setzen und die Füße hochzulegen, so lange tret ich jedem auf die Zehen, der es meiner Meinung nach verdient hat. Und Ihr Sohn hat es verdient, er hat mich nämlich angelogen, und in einem Mordfall zu lügen kann eine verdammt unangenehme Sache werden. Das müssten Sie als ehemalige Rechtsanwältin doch am besten wissen, oder?«
Köhlers Mutter zeigte sich unbeeindruckt von Lederers Worten. Sie trat ganz dicht an den Zaun, öffnete den Mund und entblößte ihre tadellosen Zähne. Es sah aus, als wolle sie dem Straubinger die Nase abbeißen.
»Er meint das nicht so«, schob Gisela sich rasch dazwischen, bevor die alte Dame weiter Gift verspritzen konnte.
»Doch, genau so hab ich’s gemeint«, ließ sich Lederer wütend vernehmen. Gisela drehte sich zu ihm um.
»Mir langt’s. Entweder Sie benehmen sich jetzt, oder Sie dürfen ab sofort auf meine Mitarbeit verzichten. Ich hab echt keinen Bock mehr, dass Sie uns das Leben schwerer machen, als es sein muss. Wir sollen hier einen Mord aufklären, da kann man wohl verlangen, dass man’s Hirn einsetzt.«
Gisela war lauter und lauter geworden und fing sich von Lederer einen finsteren Blick ein, aber er kniff die Lippen zusammen und schwieg.
»Kann ich Ihnen helfen?«, kam es von der Liege. Alle schauten zu Köhler, der sich aufgerichtet hatte und ausgiebig gähnte.
»Na toll, das haben Sie wirklich gut gemacht«, raunzte die alte Dame Gisela an. »Wenn er wieder umkippt, dann sind Sie die Nächste auf meiner Liste.«
Sie machte auf dem Absatz kehrt und marschierte ins Haus. Im Vorbeigehen flüsterte sie ihrem Sohne zu, er müsse keinerlei Aussage machen, wenn er nicht wolle. Köhler jedoch hatte nichts zu verbergen. Er lud die beiden Ermittlungsbeamten auf die Terrasse ein, und bei einem Tässchen Roibuschtee stand er Rede und Antwort, wobei er sich immer wieder versicherte, dass seine Mutter nicht lauschte. Ihr hatte er erzählt, dass die Polizei ihn vernommen hatte, weil die Tote bei ihm ein Buch gekauft hatte.
Gisela stellte die Fragen, während Lederer mit
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