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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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Gedanken bei ihrem Vater, vor allem, wenn sie in der Arbeit war und er alleine zu Hause. Abends war sie dann wie gerädert, trotzdem musste sie noch die Hühner machen, den Obstgarten pflegen oder im Winter Schnee schaufeln. Ludwig, der zwar nicht bei ihr wohnte, aber so oft wie möglich bei ihr war, half nach Leibeskräften aus, aber Gisela spürte die Verantwortung für das Haus und ihren Vater wie eine zu enge Jacke. Ionela hatte ihr wieder Luft zum Atmen gegeben. Wenigstens für einige Zeit.
     
    Diese Nacht schlief Gisela wie ein Stein. Am nächsten Morgen wurde sie von den Sonnenstrahlen und den Vögeln geweckt. Ludwigs Nähe zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Für ein paar Minuten genoss sie seine Wärme, dann stand sie auf, um die Hühner zu füttern. Auf dem Weg zum Stall erhaschte sie kurz einen Blick auf einen Sportwagen, der in fünfzig Meter Entfernung in der Einbuchtung zum Waldweg stand. So einen Wagen sah man in Niedernussdorf sehr selten. Die Polizistin machte sich eine mentale Aktennotiz, ohne länger darüber nachzudenken. Ihr geschultes Unterbewusstsein nahm alles auf, was auch nur einen Hauch neben der Normalität ihres Lebens lag. Dazu gehörte auch Lederers Limousine, die bereits vor der Polizeiwache stand, als Gisela dort eintraf. Sie fragte sich, wieso der Herr Kollege nicht ein Zimmer im Wilden Bock nahm, wenn er eh jeden Tag vor ihr auf der Matte stand. Wie frisch gebügelt stieg Lederer aus seinem Wagen. Mit einem breiten »Guten Morgen, Frau Kollegin« begrüßte er sie.
    »Wenn Sie so gut drauf sind, dann haben Sie sich bestimmt wieder was Schönes ausgedacht, oder?«, fragte Gisela.
    »Wir lernen uns langsam besser kennen, was?« Das Blinzeln in seinem rechten Auge schob Gisela auf die Sonne, die ihm golden ins Gesicht fiel. An eine andere Möglichkeit wollte sie gar nicht denken.
    »Brauchen Sie für diesen sicher glorreichen Einfall wieder meine Männer?«
    Sie sperrte den Eingang zur Wache auf, Lederer folgte ihr hinein.
    »Ich will Ihre Männer nicht überstrapazieren«, gab er trocken zur Antwort. »Wir beide, das reicht.«
    Misstrauisch beäugte Gisela Lederer, während sie das Telefon von der Nachtschaltung auf Tag umstellte. Nachts bimmelte es in der Notrufzentrale Straubing, tags in der Wache.
    »Wir zwei?«, fragte sie nach. Nicht, dass sie sich verhört hatte.
    »Wir zwei«, bestätigte Lederer.
    Sein Schnauzbart zuckte angewidert über die abgestandene Luft. Er riss ein Fenster auf. »Wir knöpfen uns heut noch mal den Buchhändler vor.«
    »Sollen wir ihn diesmal richtig foltern? Damit er uns alles sagt?«
    Lederer schoss einen vorwurfsvollen Blick in Giselas Richtung.
    »Bin ich wirklich so schlimm?«
    »Sie übertreiben’s manchmal ein bisschen.«
    »Frau Kollegin, in meinen Augen ist eine Hypersensibilisierung angesichts der sozialen Umstände in diesem Land angemessener als eine Vogel-Strauß-Politik. Besonders in unserem Beruf.«
    »Das heißt, jeder ist erst einmal ein Verbrecher, bis er seine Unschuld bewiesen hat.«
    »Drehen Sie mir doch nicht das Wort im Munde um, Herrgottnochmal!«, fuhr Lederer auf. »Es geht darum, unsere Bürger und Bürgerinnen vor Schaden zu bewahren, der im Idealfall durch hohe Aufmerksamkeit und Pflichtschuldigkeit unsererseits abgewendet werden kann. Dazu gehört eben, dass man lieber etwas misstrauischer als zu vertrauensselig ist.«
    Gisela schaute Lederer prüfend an, vor ihrem geistigen Auge sah sie ihn als kleinen Jungen in der Grundschule, der schon damals lieber Sheriff als Gangster war, den niemand wegen seiner Rechthaberei leiden konnte und der ständig um sein Pausenbrot oder Taschengeld gebracht wurde.
    »Ich glaub, bei Ihnen ist das keine Berufskrankheit, sondern das kommt von den schlechten Erfahrungen.«
    Lederer glotzte verdutzt, seine Augenlider flatterten irritiert.
    »Sie haben bestimmt schon als Kind keinem getraut. Die Eigenschaft haben Sie nicht erst, seitdem Sie bei der Polizei sind«, ergänzte Gisela. »Haben Sie das oft von Ihren Eltern gehört? Dass man niemandem trauen darf?«
    In ihren Worten schwang weniger Frage denn Gewissheit mit. Gisela hatte in jahrzehntelanger Beobachtung festgestellt, wie schnell die Offenheit von Kindern durch das Mantra falscher Ratschläge zu einer verschlossenen Tür wurde.
    »Ich denk nicht, dass Sie sich ein Urteil über mich, geschweige denn meine Eltern erlauben können, Frau Kollegin«, sagte Lederer spitz. »Wer ich privat bin, hat mit meiner Arbeit und diesem Fall im

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