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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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Sportwagen gestiegen und zur Wirtschaft gefahren. Ionela war ihnen gefolgt, und nun saß sie hier und stellte sich fortwährend vor, wie Ionel seinen Namen in die Haut Danijelas eingebrannt hatte. Sie konnte förmlich den Schmerz spüren, das verbrannte Fleisch riechen, Danijela schreien hören. Diese Drecksau mit dem hübschen Gesicht hatte wahrscheinlich noch gelächelt, so wie er jetzt in ihre Richtung lächelte.
    Ionela stockte der Atem. Schnell senkte sie den Blick in das Buch, ein Gedichtband aus Giselas Bestand. Ihre Augen huschten über die Seite, sie hoffte, Ionel davon zu überzeugen, dass sie läse. Sie zählte bis zehn, wollte den Kopf heben, zählte weiter bis zwanzig. Schaute er noch zu ihr?
    Rosi machte wieder einen derben Spruch, der die Männer vor Lachen durchschüttelte. Jetzt war eine gute Gelegenheit aufzuschauen, das Lachen würde sie beschützen, niemand würde auf sie achten, jeder würde sich auf Rosi konzentrieren, die sich ein Wortgefecht mit dem juvenilen Fußballtrainer lieferte.
    Ionela hob den Blick. Ionel schaute ihr direkt in die Augen. Er lächelte. Ionela starrte ihn regungslos an. Er schien das als Aufforderung zu deuten, sich zu erheben und zu ihr zu kommen. Panik schoss wie Eiswasser durch Ionelas Brust. Sie klappte das Buch zu, kramte in ihrer Handtasche nach dem Portemonnaie, winkte Rosi.
    Ionel stand vor ihr. »Entschuldigen Sie, kennen wir uns?«
    Ionela schaute ihn nicht an. »Ich glaube nicht.«
    Sie winkte Rosi noch einmal, die ihr zunickte, die leeren Gläser vom Tisch der Fußballer einsammelte.
    Ionel setzte sich, verbog sich, um in Ionelas Gesicht sehen zu können. »Diese Augen, wie Sterne, ich bin mir sicher, dass wir uns schon mal irgendwo gesehen haben. Solche Augen vergisst man nicht.«
    »Ich bin nicht von hier, ich bin nur auf der Durchreise.«
    Ionel runzelte die Stirn. »Was für ein Akzent ist das? Slowenien?«
    Rosi brachte die leeren Gläser zum Tresen, teilte dem Wirt die neue Bestellung mit. Ionelas Blick folgte ihr, sie drückte dabei das Portemonnaie fest mit beiden Händen, als wollte sie es auswringen.
    »Ungarn?«, hakte Ionel nach.
    Ionela ignorierte ihn.
    »Rumänien?«
    Ionela blinzelte nervös. »Tschechien«, sagte sie.
    Endlich steuerte Rosi auf ihren Tisch zu.
    »Passen Sie bei dem bloß auf, das ist ein ganz gefährlicher Hundling. Der ist hinter jedem Weiberrock her«, sagte Rosi.
    Ionel machte ein betont unschuldiges Gesicht.
    »Jaja, du weißt schon, was ich mein«, grinste Rosi in seine Richtung.
    »Wie viel macht das?«, fragte Ionela.
    »Drei zwanzig«, sagte Rosi. Ionela kramte in ihrem Portemonnaie das Kleingeld durch.
    »Ich verehre euch Frauen nur, das ist alles«, verteidigte sich Ionel. »Ihr seid Geschöpfe, in denen Gott sich jeden Tag zeigt.«
    »Ja, dann müsstest du mich mal morgens früh um sechs sehen. Da würdest du dann denken, dass mich der Teufel gemacht hat«, parierte Rosi trocken.
    Ionela streckte Rosi einen Fünfeuroschein hin. »Stimmt schon.« Sie konnte Ionels Koketterie nicht länger ertragen. Hatte er ihre Schwester auch so eingewickelt?
    Rosi nahm den Geldschein, Ionela packte das Buch in ihre Handtasche, stand auf.
    »Siehst, wirkt nicht bei jeder«, sagte Rosi zu Ionel. »Schönen Abend noch«, verabschiedete sie Ionela.
    »Danke, Ihnen auch«, erwiderte sie. Sie konnte nicht anders, sie musste Ionel anschauen. War er enttäuscht, dass sie einem Flirt auswich? Würde er immer noch unverschämt grinsen? Noch einen letzten Spruch wagen, um sie zu beeindrucken?
    Ionels Blick war nachdenklich. Seine dunklen Augen waren nicht auf ihr Gesicht gerichtet, sondern auf die Handtasche. Für einen Augenblick war Ionela verwirrt, bis die Erkenntnis ihre Kopfhaut kribbeln ließ. Danijela hatte die gleiche Tasche besessen, Ionela hatte sie ihr zum achtzehnten Geburtstag geschenkt, weil die jüngere Schwester sie immer darum beneidet hatte. Um das Band zwischen ihnen zu bekräftigen, waren in beide Ledertaschen die Initialen ihrer Vornamen eingebrannt worden. D und I.
    Ionela schlang die Handtasche schnell über ihre Schulter und flüchtete aus dem Wirtshaus.
    Mit raschen Schritten eilte sie zu dem Mofa, das neben zwei Fahrrädern abgestellt war. Ionela steckte den Schlüssel mit zitternden Fingern ins Lenkradschloss, sperrte auf. Hinter sich hörte sie die Wirtshaustür quietschen. Sie setzte sich auf den Sattel, trat in die Pedale, der kleine Motor sprang sofort an. Sie schob das Mofa mit einem Ruck nach vorne, der

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