Unter aller Sau
verschränkten Armen auf einem Gartenstuhl aus Teakholz saß und versuchte, einen unbeteiligten Eindruck zu machen. Gisela wusste, dass er ganz genau zuhörte, auch wenn er die Blumenmuster der Polsterauflagen zu studieren schien. Es war ihr egal, sollte er schmollen, ihre Aufmerksamkeit galt Köhler. Er wiederholte seine Aussage über die sogenannte Sorglosmassage, die bei Danijela das Schlüsselwort gewesen sei, ihre Liebesdienste anzubieten. Er schränkte allerdings ein, dass er ihre Dienste nicht im Paradies in Anspruch genommen hatte, sondern in einem Beherbergungsbetrieb an einer Autobahnraststätte fünfzig Kilometer entfernt.
Lederer schnappte nach Luft angesichts dieser neuen Tatsache. »Warum haben Sie mir das denn nicht schon im Krankenhaus gesagt? Ich hab Sie doch explizit nach so einer Situation gefragt.«
»Na ja, liegen Sie mal mit einem Herzinfarkt auf der Intensivstation und plaudern in aller Ruhe mit einem Hauptkommissar über den Tod einer jungen Frau, die Ihnen in gewisser Weise nahestand«, jammerte Köhler. »Das Chaos in meinem Kopf zu der Zeit können Sie gar nicht nachvollziehen, wenn ich das mal so unverblümt sagen darf.«
»Also, wie kann ich mir dann den Ablauf so eines Rendezvous genau vorstellen?«, fragte Gisela nach.
Köhler stellte noch einmal sicher, dass seine Mutter wirklich in der Küche war und sich der Zubereitung eines Apfelstrudels widmete, bevor er mit seiner Schilderung begann.
Kurz nach Eröffnung der Schönheitsfarm sprach sich in gewissen Foren im Internet herum, dass die Damen nicht nur für Massagen zur Verfügung standen. Jede von ihnen hatte eine eigene Homepage, wo auch der Twittername angegeben war, unter dem man Kontakt mit der Auserwählten aufnehmen konnte. Zuerst wurde ein Termin für eine Massage vereinbart, bei dem Näheres besprochen wurde. Dieser Termin diente höchstwahrscheinlich dazu, die Männer auf verdeckte Ermittlungstätigkeit abzuklopfen. Erst wenn die Dame sicher war, keinen Zivilpolizisten auf der Matte zu haben, kam es zu weiteren Verhandlungen bezüglich der Liebesdienste. Diese wurden meist außerhalb der Räume des Paradieses erbracht, offensichtlich, um den Betreiber vor strafrechtlichen Konsequenzen zu schützen.
Zum Leidwesen Lederers, dem es nicht darum ging, die Mädchen zu bestrafen, sondern die Hintermänner. Solange die nicht konkret mit der illegalen Prostitution in Verbindung gebracht werden konnten, handelten die Mädchen auf eigene Rechnung und jegliche Ermittlungsarbeit war umsonst.
Gisela dagegen ging es nicht um die Hintermänner, sondern um den Mord an Danijela. Sie wollte sich nicht mit Homepage, Twitteraccount und dem ganzen digitalen Brimborium beschäftigen, sie wollte am liebsten direkt zu Vlad Tomanovici fahren, um ihn in die Mangel zu nehmen. Lederer nahm das belustigt zur Kenntnis, bisher stand er ja im Ruf, brachial vorzugehen.
»Das ist in dem Fall ganz was anderes«, verteidigte sich Gisela. »Es gibt einen starken Anfangsverdacht gegen diese Tomanovicis, da darf man schon mal ein bisschen gröber werden. Ich mein, Samthandschuhe sind die bestimmt nicht gewohnt.«
»Es entspricht aber nicht der rechtsstaatlichen Vorgehensweise«, hielt Lederer ihr entgegen.
»Aber es ist rechtsstaatlich, Zeugen«, sie wies auf Köhler, »gesundheitlich zu gefährden?«
»Ich will damit nur sagen, dass jeglicher Druck, der sich nicht alleine verbal äußert, die Beweislage vor Gericht zu Ungunsten der Staatsanwaltschaft verschieben würde.«
»Auf Deutsch?«, sagte Gisela.
»Er will sagen, dass jegliche Aussage der Beschuldigten in der Strafsache nutzlos wird, wenn sie unter Druck erbracht wurde«, erläuterte Köhler.
»Danke«, sagte Lederer.
»Gerne«, antwortete Köhler.
»Also, wie machen wir jetzt weiter?«, wollte Gisela wissen. Sie schaute dabei beide Männer an, denn die verstanden sich plötzlich wunderbar. Tatsächlich wechselten Lederer und Köhler einen kurzen Blick, als wollten sie sich gegenseitig den Vortritt lassen. Lederer ergriff das Wort.
»Wir werden diejenigen ausfindig machen, die regelmäßig zu Gast bei den Damen im Paradies sind. Möglicherweise hat der eine oder andere eine Aussage bezüglich der Hintermänner zu machen, die uns dienlich sein kann. Wir machen einen öffentlichen Aufruf.«
»Das können Sie gleich vergessen«, kam es von der Terrassentür. Köhler zuckte bei der Stimme seiner Mutter zusammen. Sie strich ihrem Sohn über die dünnen Haare. »Da wird keiner eine Aussage
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