Unter aller Sau
nach seiner Rückkehr von Giselas Hof nicht geschafft. Stöhnend rappelte er sich auf, seine verquollenen Augen waren schmale Schlitze, die Haare standen wild ab. Er öffnete die Tür, und der Anblick Ionelas in ihrem Sommerkleid elektrisierte jede Faser und jeden Knochen in seinem geräderten Körper. Sie lächelte, dass ihm ganz warm im Brustkorb wurde.
»Danke für die Blumen.«
»Bitte«, krächzte Richie.
Seine trockene Kehle machte ihm bewusst, dass er wahrscheinlich genauso aussah, wie er sich anhörte.
»Moment«, schob er nach, drückte die Tür zu, huschte mit einem Seitenschritt zu seiner Lederjacke, die an einer bunt bemalten Schneiderpuppe hing, holte aus der Seitentasche seine verspiegelte Sonnenbrille, hielt sie sich vors Gesicht und überprüfte sein Aussehen. Was er sah, war erschreckend.
»Komme gleich!«, schrie er und eilte in das kleine Bad, hielt seine Hände unter den Wasserstrahl und presste die Haare so gut es ging an den Kopf. Alibert auf, Mundwasser raus, ab in den Rachen, gurgeln, ausspucken. Deoroller. Er nahm sich nicht die Zeit, sein Hemd hochzuschieben, sondern rollerte direkt über den Stoff unter seinen Achseln. Mit flinken Fingern nahm er eine Tube Gesichtscreme, drückte einen Batzen in seine Handfläche und verrieb ihn im Gesicht. Kräftig tätschelte er ein paarmal seine Wangen, so dass sie leicht rosa wurden, presste noch ein letztes Mal ein paar Haarschiebel in Position und rannte zurück zur Wohnungstür. Er hauchte kurz gegen die flache Hand, um seinen Atem zu überprüfen, schnüffelte unter den Achseln und öffnete die Tür mit einem freundlichen Lächeln.
Der Engel stand immer noch da.
»Wow«, war alles, was Richie rausbrachte.
»Ich … ich wollte Sie nicht aufwecken, aber Frau Wegmeyer meinte, Sie hätten heute Ihren freien Tag.«
»Nein, nein, Sie haben mich nicht aufgeweckt, ich hab nur … meditiert.«
»Sie meditieren?«
»Ja. Jeden Tag. Das … das hält mich im Gleichgewicht.«
»Das hätte ich von Ihnen gar nicht gedacht.«
»Ich werd oft unterschätzt.« Richie wollte das unerquickliche Thema schnell beenden. »Sollen wir einen Kaffee trinken gehen?«
Ionela schaute unschlüssig auf ihre Uhr. Richie spürte, wie sich das Fenster der Gelegenheit langsam schloss.
»Nur eine Tasse«, sagte er schnell. »Ich muss dann auch wieder zurück. Noch ein Gedicht schreiben. Für meine Mutter.«
Ionela war baff.
»Die ist zwar schon tot, aber ich … ich führ so ’ne Art Tagebuch, das ist, als würd sie noch leben und ich könnt mit ihr reden.« Richie konnte gar nicht so schnell denken, wie die Wörter aus ihm heraussprudelten. Staunend hörte er sich selbst zu und krümmte sich innerlich wegen der lausigen Aufschneiderei.
»Ich hol nur schnell Geld.« Er schlüpfte zurück in die Wohnung, lehnte sich an die Wand.
»Richie, halt einfach dein Maul, einfach die Klappe halten«, schalt er sich selbst leise. »Sie ist gekommen, weil du mit den Blumen ihr Herz geöffnet hast, du musst nichts machen, das läuft von alleine.«
Er nickte bekräftigend und beschloss, Ionela reden zu lassen und sich aufs Zuhören zu beschränken.
Das ging so lange gut, bis Erwin in seiner Mittagspause in die kleine Bäckerei am Marktbrunnen kam. Er bat um drei Butterbrezen, und während er wartete, erspähte er Richie und Ionela im Café, das durch einen Durchgang zu erreichen war. Natürlich setzte er sich ungefragt zu den beiden an den Tisch, schließlich war Richie sein bester Freund, und Sensibilität war nie Erwins Stärke gewesen.
Ionela, die gerade von ihrer Kindheit in ihrem Heimatdorf Arad erzählt hatte, lächelte höflich. Richie fühlte, wie die zarten Bande zu Ionela rissig wurden. Er erkundigte sich bei seinem Kollegen, wie es in der Arbeit ausschaue, in der Hoffnung, dass Erwin auf diese Floskel mit einem »Geht schon« antworten, vielleicht noch ein bisschen auf den Straubinger schimpfen und dann auf die Wache zurückkehren würde. Weit gefehlt. Stolz berichtete Erwin im Detail von seinen Ermittlungsergebnissen und den Fakten über Vlad Tomanovici und dessen Sohn. Mit unmissverständlicher Geste und rollenden Augen versuchte Richie, Erwin zu verstehen zu geben, dass er verschwinden sollte, was ihm zwanzig Minuten später endlich gelang.
Richie sammelte sich, versuchte den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen und mehr über Ionela zu erfahren. Die junge Rumänin ließ ihn charmant abblitzen, sie habe schon genug geredet, jetzt sei Richie dran. Er solle etwas
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