Unter aller Sau
ein dunkles Geheimnis, das er nicht preisgeben würde. Ihr war das egal, solange es keine Auswirkungen auf die Ermittlungen hatte. Genau das befürchtete sie allerdings. Die Härte, mit der Lederer teilweise gegen die Leute vorging, zeugte von einer Emotionalität, die keineswegs nicht stattfand. Gisela bohrte nicht weiter, aber in diesem Augenblick war ihr der Straubinger unheimlich geworden.
Schorsch, in Zivil, saß in seinem kleinen Fiat auf dem Parkplatz des Grünhardinger Gemeindehauses und starrte auf das blaue Besucherschild. Auf dem Beifahrersitz lag ein dicker brauner DIN -A 4 -Umschlag mit allen Unterlagen zu den Tomanovicis. Der Bürgermeister war sehr entgegenkommend gewesen, hatte allerdings durchblicken lassen, dass er sich kriminelle Machenschaften der Rumänen schwer bis gar nicht vorstellen konnte. Vater und Sohn gingen sogar jeden Sonntag in die Kirche und taten am meisten in den Klingelbeutel.
All das hatte sich Schorsch zwar angehört, aber im Moment überlegte er, ob er einen Abstecher zum Paradies machen sollte. Möglicherweise könnte er dort weitere Informationen über Vlad und Ionel herausfinden. Möglicherweise könnte er die Kröte zum Reden bringen oder Jana noch einmal auf den Zahn fühlen. Er würde super dastehen, wenn er den entscheidenden Hinweis erbrachte, der diesem Saupack das Handwerk legen würde.
Begeistert von seiner Idee fand sich Schorsch zehn Minuten später an der Rezeption der Schönheitsfarm wieder und schwitzte unter dem hypnotischen Blick der Kröte. Außer dem süßlichen Harfengezirpe und einem Traktor, der auf dem Feld hinter dem Gebäude pflügte, war nichts zu hören. Das leise Zischen der Schiebetür kündigte Jana an. Sie strahlte Schorsch entgegen.
»Hallo, mein Lieber, schön dich wiederzusehen.«
Vergessen war die Kröte, vergessen war sein Vorhaben, er spürte nur noch den Drang, Jana an der Hand zu nehmen und wegzulaufen. Irgendwohin, wo sie auf alle Zeit ungestört sein würden.
»In einer Stunde hast du den nächsten Kunden«, grunzte die Stimme der Kröte.
Jana lächelte den Befehlston weg. Sie führte ihn wieder zu Zimmer Nummer fünf, und alle Erinnerungen an die heiße Nacht kamen in Schorsch hoch. Dazwischen drängte sich ein anderes Gefühl, das schlechte Gewissen. Er dachte an die Tote und sein Erregungspegel fiel rapide ab.
Jana holte einen Schlüsselanhänger aus ihrem Fundus, hielt ihn mit neckischem Blick hoch. Schorsch zog die Luft scharf ein, zwang sich zu einem Kopfschütteln.
»Kann ich mit Ihnen reden?«
Jana ließ den Schlüsselanhänger sinken.
»Natürlich. Soll ich dabei massieren? Kostet genauso viel.«
Schorsch hob abwehrend die Hände.
»Nicht massieren. Bitte.«
»War es so schlimm letztes Mal?« Jana zog einen Schmollmund.
»Nein, nein, das war … wunderbar. Ich … es … es … ich meine …«
Schorsch spürte die Schweißtropfen vom Nacken die Wirbelsäule hinunterlaufen. Seine Zunge fühlte sich bleischwer an. Jana stöckelte mit wiegendem Schritt näher.
»Du brauchst eine Massage, du bist ganz verspannt.«
Sie streckte ihre Hände aus, um Schorschs Hemd aufzuknöpfen. Seine Knie wurden weich, und er griff zum letzten Hilfsmittel, um nicht einzuknicken. Er fingerte seinen Dienstausweis aus der Gesäßtasche, hielt ihn Jana direkt vors Gesicht. Ihre Augen weiteten sich, sie japste kurz nach Luft.
»Es geht um Danijela.« Schorsch hielt den Ausweis weiter wie ein Schutzschild vor sich. »Sie wurde umgebracht.«
Jana verschränkte ihre Arme, ihr Blick war eisig.
»Wir … wir vermuten, es war Herr Tommivitsch.«
»Du denkst, ich weiß was darüber?«
»Ihr habt zusammengearbeitet«, kam es hinter dem Ausweis hervor.
Jana drückte Schorschs Hand sanft nach unten, schaute ihn aus großen Augen an.
»Und was soll ich deiner Meinung nach wissen?«
»Wer es getan hat?«
»Selbst wenn ich es wüsste, könnte ich es dir nicht sagen.« Ein trauriger Unterton mischte sich in die feste Stimme. »Ich will nicht enden wie Danijela.«
Schorsch spürte das leise Zittern Janas unter seine Haut kriechen, es rief das starke Bedürfnis hervor, sie zu umarmen.
»Du kannst doch nicht wollen, dass derjenige nicht bestraft wird, oder?«
»Glaubst du wirklich, der ist der Einzige?«
Schorsch schaute auf seinen Ausweis, auf sein Bild, auf dem er um Jahre jünger war. Es war kurz nach seinem Amtsantritt vor sechs Jahren gemacht worden. Er war so stolz drauf gewesen, etwas für das Gemeinwohl Niedernussdorfs
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