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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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unter der Achsel, zog ihn das letzte Stück hinauf. Kaum saß Schorsch auf dem Seitensitz, gab der Bauer Vollgas. Der Traktor machte einen wilden Satz vorwärts, so dass Schorsch fast hinuntergepurzelt wäre. Er klammerte sich mit beiden Händen am Aufbau des Traktors fest, ließ die fliehende Jana nicht aus den Augen.
    Sie holten schnell auf. Noch etwa zwanzig Meter trennten den Traktor von Jana, als sie über die Schulter schaute und erkannte, wer sie da verfolgte. Sofort schlug sie einen Haken und spurtete auf ein Gatter zu, hinter dem auf einer Weide ein paar Kühe im Schatten eines Baumes lagen und wiederkäuten. Der Bauer bremste den Traktor so abrupt, dass Schorsch nach vorne geschleudert wurde.
    »Endstation. Da kann ich nicht durch, das ist dem Gruber sein Grundstück.«
    Schorsch drückte die schwielige Hand des Bauern.
    »Danke.«
    Er kletterte schnaufend vom Traktor, zwängte sich zwischen zwei Balken des Gatters durch und nahm die Verfolgung schweren Schrittes auf. Die Kühe glotzten ihn mit ihren Kulleraugen an.
    Ein wagemutiger Gedanke durchfuhr Schorsch. Sein Opa hatte früher fünfzig Milchkühe gehabt, und in den Ferien hatte er oft auf dem Hof übernachtet. Der spinnerte Nachbarjunge hatte ihm damals gezeigt, wie schnell Kühe sein konnten. Man musste ihnen nur einen Ast in den Hintern rammen, dann waren das spitzenmäßige Reittiere.
    Schorsch schnappte sich den nächstbesten Ast, setzte sich auf die nächstbeste liegende Kuh und steckte ihr den Ast so heftig in den Allerwertesten, dass das Vieh brüllend aufsprang und losrannte. Zum Glück in Janas Richtung, denn Schorsch hatte keinerlei Möglichkeiten, die wild gewordene Kuh zu lenken. Er krallte sich an ihren kurzen Hörnern fest und presste seine Schenkel so fest wie möglich zusammen, um nicht runterzurutschen. Der Galopp führte ihn näher und näher an Jana heran.
    Sie war kurz davor, das gegenüberliegende Gatter zu erreichen, als sie noch einmal über die Schulter blickte. Was sie sah, ließ sie ins Stolpern geraten. Der dicke Schorsch auf einer brüllenden Rennkuh, die frontal auf sie zusteuerte. Jana schlug reflexartig einen Haken und trat dabei unglücklich in einen Maulwurfshügel. Mit voller Wucht stürzte sie auf den Boden. Schorsch wollte die Kuh bremsen, zog und zerrte an ihren Hörnern, doch das Vieh zeigte sich unbeeindruckt.
    Das nahende Gatter zwang die Kuh zu einer plötzlichen Kehrtwende. Schorsch verlor den Halt, rutschte vom Rücken der Kuh und krachte bäuchlings auf die Erde. Kurz wurde ihm schwarz vor den Augen, die Luft blieb ihm weg, und er glaubte, ein Knacken in seinem Brustkorb zu hören. Schorsch stöhnte, rollte sich auf den Rücken und holte tief Luft. Auf der rechten Seite verspürte er einen Stich.
    Sein Gehirn erinnerte ihn jäh daran, warum er hier lag. Er drehte den Kopf und sah Jana, die sich gerade aufrappelte, nur um gleich darauf wieder in die Knie zu gehen. Offenbar hatte sie sich beim Sturz den Knöchel verknackst.
    Schorsch stemmte sich hoch, versuchte tapfer, den Schmerz in seiner Brust zu ignorieren. Er humpelte zu Jana. Die biss die Zähne zusammen und unternahm erneut einen Fluchtversuch. Sie zog ihr verletztes Bein an und hüpfte zum Gatter. Schorsch beschleunigte sein Humpeln, er hatte Angst, Jana würde ihm doch noch entkommen. Tatsächlich war sie hüpfend schneller als er humpelnd. Fieberhaft überlegte er, wie er Jana stoppen konnte.
    »Bleib stehen, sonst schieß ich«, kam es kaum hörbar aus seinem trockenen Mund.
    Jana hatte ihn entweder nicht gehört, oder sie wollte ihn nicht hören. Sie war am Gatter. Mit einem leisen Schmerzensschrei stieg sie auf den unteren Balken und schwang das Bein mit dem verletzten Knöchel über den oberen.
    Schorsch legte einen Humpelgang zu und stolperte über einen faustgroßen Ackerstein. Mit dem Gesicht voran landete er in einem halb getrockneten Kuhfladen. Er schaute schnell auf. Unter Mühe war Jana auf der anderen Seite des Gatters gelandet. Schorsch hätte vor Ärger und Enttäuschung schreien können. Er packte den Ackerstein, richtete sich auf und schmiss ihn mit einem befreienden Wutschrei Jana nach. Er traf sie am Hinterkopf. Jana ging zu Boden, rührte sich nicht mehr.
    Die Überraschung verwandelte Schorsch in eine Salzsäule. Nur seine Augen blinzelten ungläubig. Schließlich grinste er erleichtert und ließ sich erschöpft auf den Rücken plumpsen.
     
    Janas Platzwunde musste mit acht Stichen genäht werden. Nach der Verarztung saß sie in

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