Unter aller Sau
Giselas Büro, kreideweiß, sturer Blick, verschränkte Arme. Schorsch stellte eine Kaffeetasse vor ihr ab, sie ignorierte seine Anwesenheit demonstrativ. Nachdem Schorsch sich zurückgezogen hatte, machten es sich Gisela und Lederer auf ihren Stühlen gemütlich.
»Frau Banat«, eröffnete Lederer den Fragereigen und hielt Jana ein Foto der toten Danijela vor die Nase, »kennen Sie diese Frau?«
Jana schluckte hart, nahm ihre Tasse in beide Hände und schaute auf den rehbraunen Kaffee.
»Das ist Danijela Andreikovici, neunzehn Jahre alt, aus Arad. Sie erlitt laut Gerichtsmedizin innere Blutungen aufgrund mehrerer Schläge mit einem harten Gegenstand, möglicherweise einem Schlagring. Die Leber wurde dabei zerfetzt, ebenso die Blase …«
»Hören Sie auf«, flüsterte Jana.
Lederer legte das Foto auf den Schreibtisch.
»Können Sie uns sagen, was passiert ist?«, sagte Gisela leise. Gespannt wartete sie auf eine Reaktion Janas.
Die junge Frau schüttelte langsam den Kopf.
»Sagt Ihnen der Name Ionel etwas?«, fragte Gisela weiter.
Ein kurzes Zucken der Augenlider und ein Zittern der Nasenflügel reichten Gisela als Antwort.
»Wir vermuten, dass er Danijela umgebracht hat.«
Jana klammerte sich an ihre Tasse, sie hatte noch keinen Schluck getrunken.
»Ist das möglich?« Gisela schaute auf Janas Lippen, wartete auf einen Satz, ein Wort. Jana rührte sich nicht. Eine Träne tropfte in die Kaffeetasse.
»Sie brauchen keine Angst zu haben, wir sorgen dafür, dass Ihnen nichts passiert«, sagte Lederer sanft. »Sobald Sie eine Aussage machen, stehen Sie unter meinem persönlichen Schutz. Ich werde alles tun, damit Ihr Leben nicht gefährdet wird.«
Tränen rannen Jana links und rechts die Wangen hinab.
»Ich kann nicht mehr zurück«, schluchzte Jana.
»Das sollen Sie auch nicht mehr«, sagte Gisela. »Wir wollen Sie da rausholen.«
»Nein, ich meine, zu meiner Familie. Nach Hause.« Jana wischte sich mit dem Ärmel Rotz und Tränen aus dem Gesicht. »Wenn sie erfahren, dass ich geredet habe, werden sie meine Eltern umbringen.«
»Niemand wird davon erfahren, abgesehen vom Richter, dem Staatsanwalt und uns hier«, versicherte Lederer.
Gisela hatte daran ihre Zweifel. Gerichtsdiener, Justizbeamte, Journalisten, hundertprozentige Sicherheit gab es nicht.
»Wir tun unser Möglichstes, Sie zu schützen, aber garantieren kann Ihnen das keiner«, sagte Gisela.
Lederer war erst verblüfft, gleich darauf verärgert. Gisela ließ sein Mienenspiel kalt, sie konzentrierte sich ganz auf Jana.
»Niemand kann Sie zu einer Aussage zwingen. Möglicherweise werden wir aber zu wenige Indizien und Beweise gegen Ionel zusammenbringen, um ihn anklagen zu können. Er wird dann weitermachen wie bisher. Seine Macht baut auf die Angst von Ihnen und allen anderen, Jana.«
Stille. Gisela wagte kaum zu atmen, um die Gedanken, die Jana jetzt durch den Kopf kreisen mussten, nicht zu behindern. Sie riskierte einen kurzen Seitenblick zu Lederer, der ihr ein anerkennendes Nicken zukommen ließ.
»Können Sie sich um meine Eltern kümmern?« Jana schaute Lederer aus verquollenen Augen an.
»Ich kann mich mit den rumänischen Kollegen in Verbindung setzen, damit die sich darum kümmern.«
Jana lachte auf, schüttelte den Kopf.
»Wenn Sie mit der Polizei in Arad reden, können Sie gleich Vlad anrufen. Er kennt dort jeden.«
»Wer genau ist dieser Vlad?«, wollte Gisela wissen.
»Sorgen Sie für die Sicherheit meiner Eltern, dann erzähle ich Ihnen, wer Vlad ist.« Janas Blick war fest.
Gisela schaute fragend zu Lederer.
»Tut mir leid, mir sind aufgrund der Vorschriften die Hände gebunden«, sagte er.
»Wie weit ist denn Arad von Niedernussdorf weg?«, fragte Gisela nachdenklich.
»Mit dem Auto einen Tag«, kam die Antwort.
Gisela wandte sich an Lederer.
»Die Eltern sollen einfach hierherkommen«, fing sie an, aber Lederer hob sofort Einhalt gebietend beide Hände.
»Stopp, stopp, stopp«, schnarrte er. »Das ist jetzt ja wohl nicht Ihr Ernst, oder?«
»Wieso nicht? Jana macht ihre Aussage, der Haftrichter stellt einen Haftbefehl aus, Ionel kommt in U-Haft …«
»… und alle lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende«, vollendete Lederer. Seine Augen blitzten verärgert, der Zeigefinger tippte mehrmals an die Stirn. »So läuft das nicht, Frau Kollegin. Das ist gegen jegliche Vorschrift. Ich werde das auf keinen Fall zulassen. Wenn wir hier Erfolg haben wollen, können wir uns nicht den kleinsten
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