Unter aller Sau
als Gisela nähertrat.
»Hallo, ich bin Gisela Wegmeyer, ich arbeite mit Hauptkommissar Lederer zusammen«, sagte sie in die Runde.
»Hallo.« Jana übersetzte Giselas Worte ins Rumänische.
Die Eltern, beide wirkten mit ihren tiefen Falten, den grauen Haaren und der altmodischen Kleidung älter, als sie waren, nickten Gisela freundlich zu. Janas Mutter, die einen leichten Kropf hatte, deutete einladend auf einen freien Stuhl. Gisela lächelte dankend, stellte den Kuchen auf dem Tischrand ab und setzte sich. Janas Vater schaute Gisela über den Rand seiner Lesebrille hinweg an. Er fragte, ob sie mitspielen wolle. Jana übersetzte.
»Er lernt gerne neue Menschen kennen, und das geht am besten beim Spielen, sagt er immer«, erklärte Jana.
»Mei, ich hab das schon jahrelang, ach, was sag ich, jahrzehntelang nicht mehr gespielt.«
»So was verlernt man nicht. Außerdem macht es mehr Spaß, wenn man zu viert spielt«, meinte Jana.
»Ja, und was ist mit dem Lederer? Spielt der nicht mit?«
»Ich glaub, der hält das für Zeitverschwendung.«
»Ja, so schaut er aus.« Gisela grinste. »Mei, wenn das so ist, dann mach ich halt mit.«
Kaum hatte Jana übersetzt, sammelte ihr Vater alle Zahlenplättchen ein, mischte und verteilte sie. Er summte dabei selbstvergessen vor sich hin. Gisela wandte sich an Janas Mutter.
»Und? Wie gefällt es Ihnen hier?« Sie schwenkte mit einer weit ausholenden Geste über den Garten.
Janas Mutter nickte und antwortete, es sei alles so sauber und gepflegt hier. Vor allem die Marmorausstattung hatte es ihr angetan. Lederer musste stinkreich sein.
Just in dem Moment kam er mit seinem schneeweißen Porzellangeschirr auf einem edlen Holztablett missmutig angetrabt. Ohne Rücksicht auf die vier Spieler mit ihren Holzgestellen und den Zahlenplättchen darauf stellte er das Tablett mitten auf dem Tisch ab. Alle räumten ihre Utensilien zur Seite, Lederer verteilte Teller, Tassen und Besteck, latschte zurück, um den Kaffee zu holen.
»Der ist unterzuckert. Sobald der was gegessen hat, geht’s ihm sicher wieder besser.«
Lederer hockte jedoch mit übereinandergeschlagenen Beinen auf seinem Stuhl, trank Kaffee mit Süßstoff und verbreitete schlechte Schwingungen. Den angebotenen Kuchen hatte er mit dem Hinweis auf das verwendete Bindegewebe von Schweinen und Rindern sowie das aus Haaren von chinesischen Frauen gewonnene Cystein in der Gelatine zurückgewiesen. Detailliert schilderte er den unappetitlichen Herstellungsprozess, was zum Glück außer Gisela niemand verstand. Gisela aß unbeeindruckt weiter. Ihr Vater hatte früher Würste selbst hergestellt, und im Vergleich dazu waren Lederers Beschreibungen nur ein leises Summen in ihren Ohren.
Der Hauptkommissar merkte, dass er mit seinen Verbalattacken nicht landen konnte und verstummte. Gisela nutzte die Pause, um mit Jana ins Gespräch zu kommen.
»Ich sag Ihnen ganz ehrlich, wieso ich hier bin. Wir brauchen Ihre Hilfe.«
Jana schüttelte den Kopf, bevor Gisela weiterreden konnte.
»Ich kann nicht. Der Teufel wird auch mich holen, wenn ich aussage.«
»Nicht der Teufel hat Ionela umgebracht, sondern Vlad Tomanovici.«
»Sagen Sie«, fauchte Lederer.
»Sagt Tomanovici.« Gisela drehte ihren Kopf zu Lederer. »Ich hab heute mit ihm geredet.«
Sie ignorierte die ungläubige Miene Lederers, wandte sich wieder Jana zu. »Ich hoffe, dass die Rechtsmedizin rauskriegt, wie er das gemacht hat. Aber es steht fest, dass er es gemacht hat.«
Jana schaute ratlos in Giselas Augen, ihr Blick flackerte unruhig.
»Ich befürchte, er wird weitermachen. Er denkt wahrscheinlich, mit solchen Mafiamethoden kriegt er seinen Sohn aus der U-Haft. Das funktioniert so bloß nicht.« Sie beugte sich zu Jana vor. »Die Indizien gegen Ionel werden sich häufen, aber ohne eine Aussage, die ihn wirklich belastet, wird jede Anklage wegen Mordes auf wackligen Beinen stehen. Es wird zu einem reinen Indizienprozess kommen. Ionel braucht nur einen geschickten Strafverteidiger, dann geht er frei oder kommt mit Bewährung davon. Er wird abgeschoben, lebt in Bukarest in Saus und Braus, während sein Vater hier weiter die Geschäfte führt. Und nichts wird sich ändern.« Ihre Stimme senkte sich zu einem Flüstern. »Vlad Tomanovici wird auf immer der Teufel für alle Mädchen sein.«
Jana senkte den Blick. Gisela wartete gespannt auf eine Reaktion der jungen Frau. Selbst Lederer saß mit halboffenem Mund da und hatte seinen Kaffee vergessen. Jana schaute zu ihren
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