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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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Arbeitest du bei deinen Schweinen nicht mit so einem Ledersäckchen, das mit Kies gefüllt ist? Damit sie parieren?«
    »Das … das ist jetzt aber nicht dein Ernst, oder?« Hias bleckte mit einem unsicheren Lächeln seine gelben Zähne.
    Gisela blieb kalt.
    »Also, benutzt du so was?«
    »Ja, aber …«
    »Und wo warst du am 22 . zwischen Mitternacht und zwei Uhr?«
    Alle am Tisch schauten Hias gespannt an.
    Der blinzelte nervös. »Daheim.«
    »Im Bett?«
    »Ja.«
    »Kann das jemand bezeugen?«
    »Nein. Wer soll das denn bezeugen können?«
    »Weil du allein lebst?«
    »Ja. Das weißt du doch.«
    »Und wie machst du das, wenn du mal ein Bedürfnis hast? Sexueller Art, mein ich?« Gisela hatte die letzten Worte absichtlich laut ausgesprochen.
    Prompt verstummten alle Gespräche im Wirtshaus. Jeder schaute neugierig zum Stammtisch. Hias leckte sich die spröden Lippen, sein Blick flackerte wie eine Taschenlampe, der allmählich der Saft ausging.
    »Also, wenn du dich vergnügen willst, wie und mit wem machst du das?«
    Hias kratzte sich verlegen im Nacken, schaute auf den Boden.
    »Du gehst zu einer Prostituierten, oder? Möglicherweise bist du zu dem Opfer gegangen, oder sie ist zu dir auf den Hof gekommen.« Gisela spürte die Wut auf Ionel und Vlad hochsteigen. Ihre Worte waren zorngetränkt. »Ihr hattet Streit, weil sie nicht so wollte, wie du wolltest. Du hast dich im Recht gefühlt, weil, du hast ja schließlich bezahlt. Du bist wütend geworden, hast sie mehrmals mit deinem Schweinsprügel geschlagen, sie ist weggelaufen und dann im Wald elendig verreckt.«
    »Nein«, stotterte Hias. Sein Gesicht war noch blasser als ohnehin schon.
    »Wieso nicht? Es kann ja keiner bezeugen, dass es nicht so war, oder? Du bist ja eingefleischter Junggeselle, und es ist nur verständlich, dass du den Druck bei einer Professionellen ablassen musst.«
    »Ich mach so was nicht.«
    »Ach, nein?«
    »Nein, ich brauch keine Frau … also keine … keine von diesen …«
    »Du hast eine Freundin?«
    »Nein, ich …«
    »Eine Gummipuppe?«
    Alle im Wirtshaus lachten.
    »Oder gehst du an deine Säue.« Das Käsige in Hias’ Gesicht wurde von einem leichten Rot vertrieben. Er senkte beschämt den Blick. Einen unendlichen Augenblick lang war es totenstill, dann ging das Getuschel los.
    »Brauchst wenigstens keine Angst haben, Papa zu werden«, lachte Franz Kramer und haute Hias krachend auf den Rücken.
    Hias funkelte Gisela hasserfüllt an. Es traf sie tief im Herzen, denn nichts lag ihr ferner, als andere Menschen zu beschämen oder zu erniedrigen. Sie konnte sich für die letzten Minuten überhaupt nicht leiden. Bevor sie ein Wort der Entschuldigung sagen konnte, war Hias aufgesprungen und stampfte aus dem Wirtshaus. Die letzten Schritte wurden von einem vielstimmigen Grunzen und Lachen begleitet.

Erwin nahm Richie mit zu sich nach Hause. Er hoffte, dass sein Freund am nächsten Morgen aus seiner Starre erwachen würde. Ihm tat es leid, dass er Richie wegen seiner Liebe zu Ionela blöd angeredet hatte. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als dass Richie wieder der Alte würde.
    Diese Nacht schlief Gisela schlecht. In ihren wirren Träumen tauchte immer wieder Vlad auf, er jagte sie durch einen Wald, flog über ihren Kopf hinweg, stand mit einem Totschläger vor ihr. Die Hitze der Nacht tat ihr Übriges, dass Gisela am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang schweißgebadet erwachte. Einen Moment lang lag sie regungslos im Bett und wartete auf das Gackern der Hühner. Die Erkenntnis, dass sie dieses Geräusch nie wieder hören würde, durchfuhr sie wie ein Stromschlag. Sie machte sich einen Kaffee, setzte sich an den Küchentisch und blätterte die Prospekte der Pflegeheime durch. Alles wirkte so, als wäre der Aufenthalt in einem dieser Häuser ein Ganzjahresurlaub, der einem Entspannung und Wohlbefinden bescherte. Die Hochglanzfotos mit lächelnden Bewohnern und strahlendem Pflegepersonal verursachten einen Knoten in Giselas Magen. Sie wusste, dass die Realität anders aussah, sie wusste aber auch, dass ihr Vater nicht mehr länger bei ihr wohnen konnte. Es war zu gefährlich, ihn ohne Aufsicht zu lassen. Gisela beschloss, den heutigen Tag mit Jakob zu verbringen. Es war Sonntag, und der war ihr heilig, Mord hin, Mord her.
    Ein Motorengeräusch ließ Gisela auf den Hof hinausschauen. Eine Limousine mit getönten Scheiben fuhr vor. Vlad Tomanovici stieg aus.
    Gisela trat dem Mann in ihrem Morgenmantel und den Filzschlappen

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