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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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öffnete die Schiebetür des Mannschaftsbusses, assistierte beim Einsteigen. Hinter Lederer kam Erwin angedackelt.
    »Ich erwarte Ihren Bericht heute Abend bei mir auf dem Schreibtisch.« Lederer plusterte sich zum Mann aus Stahl auf. Er war Herr der Lage, Gisela nicht mehr als ein Fußabtreter. »Und ich will kein formalistisches Geschreibsel, sondern inhaltlichen Detailreichtum. Ich will, dass Sie mir ein Bild der Situation malen, das absolut plastisch ist. Ich will das Gefühl bekommen, dabei gewesen zu sein.«
    »Also, Sie wollen einen Erlebnisbericht?«, fragte Gisela nach.
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich möchte nur in aller Klarheit verstehen können, was passiert ist.« Er wippte auf den Zehenspitzen. »Sollte ich der Auffassung sein, dass Ihre Handlungen völlig unverhältnismäßig gewesen sind, werde ich den Bericht sofort weiterleiten.«
    Er wollte sie womöglich doch nicht ungeschoren davonkommen lassen. Zumindest spielte er mit diesem Gedanken. Im Augenblick saß er am längeren Hebel und konnte sich diesen Sadismus erlauben. Gisela fluchte in sich hinein.
    »Wo ist eigentlich der andere Kollege?« Lederers Stirn schlug Falten. »Der mit dem Bärtchen und den Triefaugen.«
    »Der Richie?« Gisela nickte zum Haus. »Drin.«
    »Der ist auf’m Klo.« Erwin starrte Lederer finster an. »Wollen Sie dem auch ans Bein pissen?«
    »Ich tu nur meine Arbeit, guter Mann. Und
der Richie
war immerhin im selben Zimmer, als Frau Ionela Andreikovici zu Tode kam.«
    »Wollen Sie damit andeuten, dass er sie umgebracht hat?« Erwin trat drohend einen Schritt vor, seine Fäuste geballt. Lederers rechte Hand rutschte vorsichtshalber zur Dienstwaffe im Gürtelholster.
    »Erwin.« Im scharfen Ton eines Hundekommandos pfiff Gisela Erwin zurück. Sie wandte sich an Lederer, der sich erst entspannte, als Erwin auf Abstand ging.
    »Ich bin mir sicher, dass der Kollege Hafenrichter Sie gerne begleiten wird.«
    Der Streifenbeamte aus dem Mannschaftsbus gab Lederer das Zeichen, dass er bereit zur Abfahrt war.
    »Holen Sie ihn mal«, befahl Lederer Erwin. Der rührte keinen Zeh.
    »Vielleicht versuchen Sie’s mit einem
Bitte
«, riet Gisela.
    »Himmelkreuzkruzifix, ich bin hier nicht in einem Schnellimbiss! Ich bin legitimiert, Anordnungen zu erteilen, und ich erwarte, dass diese unverzüglich ausgeführt werden! Alles andere ist Subordinationsverweigerung, und ich bin nicht gewillt, das einfach so hinzunehmen!«
    Lederer zitterte am ganzen Leib, aber sein Wutgeschrei prallte an Erwin wirkungslos ab. Der zeigte Lederer den Stinkefinger und die kalte Schulter. Lederer schnappte empört nach Luft. Gisela trat vor, um eine Eskalation zu verhindern.
    »Ich hol ihn.« Sie eilte ins Haus, wo sich am Ende des Ganges eine weißgetünchte Tür mit einem aufgemalten blauweißen Nachttopf befand. Gisela klopfte.
    »Richie?«
    Es kam keine Antwort. Sie klopfte noch einmal.
    »Richie?«
    Sie lauschte angestrengt. Hinter der Tür war kein Mucks zu hören.
    »Ist alles in Ordnung?«
    Nichts. Gisela drückte die Klinke. Die Tür war nicht abgesperrt, das Klo leer.
    Gisela schoss aus dem Haus.
    »Der ist nicht da.« Ihre Worte verwandelten Lederer in ein Fragezeichen. Auch Erwin guckte verwundert.
    »Wie gibt’s denn das?«
    »Was weiß ich. Hast du gesehen, dass er aufs Klo ist?«
    Erwin kratzte sich am Hinterkopf.
    »Schon. Nicht wirklich. Also, er ist nach dem Weißbier raus aus der Küch und hat gemeint, er müsst mal pieseln.«
    »Wann war das?«
    »Mei, vor einer halben Stund, würd ich sagen.«
    »Ihr Kollege verschwindet für eine halbe Stunde zur Toilette, und Sie stellen sich da keine Fragen?« Lederer stand ratlos vor der Dummheit dieses Dorfpolizisten.
    »Mei, klar hab ich mich gefragt, ob der vielleicht nicht doch scheißt, weil er so lange braucht. Aber Sie wissen ja selber, wie das ist, wenn man sitzt und ist grad gemütlich.«
    »Ich hab keine Ahnung, von was Sie reden! Wenn ich zur Toilette gehe, dann hat das den Sinn und Zweck, mich zu entleeren, nicht mehr und nicht weniger, Sie Volldepp!«
    Alle starrten den tobenden Straubinger Hauptkommissar an, dem der Zorn die Wangen rot gefärbt und die Augen zum Sprühen gebracht hatte.
    »Das ist doch sonnenklar, was der Herr Kollege vorhat, der hat sich abgesetzt! Und Sie Dummlack leisten auch noch Beihilfe zur Flucht! Wie blöd kann man eigentlich sein!«
    »Vielleicht ist er ja irgendwo im Haus und hat sich hingelegt. Dem ist es in den letzten Tagen nicht so gut gegangen.«

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