Unter alten Bannern (Die Chroniken von Vanafelgar) (German Edition)
Zurückziehen der Truppen erfolgte jedoch immer nach einem von drei festgelegten Plänen, die nur die Heerführer selbst kannten. Daher wären die Feinde ihrerseits, sollten sie denn die Grenzen überqueren, schnell in einen Hinterhalt geraten. Jedoch war es nie so weit gekommen und die Meldungen hatten sich meist als falsch oder überzogen herausgestellt. Hier in Idumarn hatte er jedoch Verletzte gesehen, die im Fend verwundet worden waren. Alle Nachrichten, die zu ihnen drangen, sprachen dafür, dass dort Kämpfe stattfanden.
Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Turgos, der wie jeden Tag einmal zum Tor der Stadt ging, um festzustellen, ob dort immer noch jeder Mensch, der es durchschreiten wollte, kontrolliert wurde, hörte lautes Geschrei vor dem Tor. Die Wachen des Tores ließen es unbeaufsichtigt und liefen schnell gen Westen. Von Neugier gepackt, was da wohl los sein konnte, dass selbst die Wachen ihren Posten verließen, ging Turgos wie viele andere hinaus vor die Stadt, um nachzusehen. Dort sah er dann das Heer der Thaina zurückkehren. Aber siegreich war es, wie es aussah, nicht gewesen. Die Männer sahen arg mitgenommen und demoralisiert aus. Viele waren verwundet und schleppten andere mit sich, die nicht mehr richtig laufen konnten. Nur wenige Reiter waren unter den Soldaten, die aus dem Fend zurückkehrten, und aus einer der Satteltaschen eines Pferdes ragte noch ein abgebrochener Pfeilschaft heraus. Diese Rebellen mussten die Truppen Elborgans aus dem Fend hinausgetrieben haben. Wie viele von ihnen dabei umgekommen waren, wusste Turgos nicht. Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass sie ungeschoren davongekommen waren. War dies der Augenblick, auf den er gewartet hatte? Sollte er in diesem Durcheinander, das sicher bald auch auf die Stadt übergreifen würde, wenn dort die Verwundeten versorgt werden mussten, aufbrechen? Jetzt würde ihn niemand kontrollieren und er konnte sein Schwert sicher unbemerkt an den Wachen vorbeibekommen, die anderes zu tun hatten, als die Menschen zu kontrollieren. Schnell wandte er sich um und ging zurück in die Stadt, um seine Sachen zu holen. Als er wieder zum Stadttor zurückkam, war es so, wie er erhofft hatte. Das Feldlager war nicht dafür eingerichtet, so viele Verwundete aufzunehmen, und der Heermeister der Thaina hatte anscheinend angeordnet, dass diese in der Stadt unterzubringen waren. Ein großes Durcheinander herrschte und das Stadttor war wie ein Nadelöhr, das sich nun jeder Kontrolle widersetzte. Keine Wachen waren mehr zu sehen. Sicher halfen diese ihren verletzten Kameraden. Turgos ging in einem günstigen Augenblick hinaus und hielt sich erst südlich. So konnte jeder, der ihn sah, denken, dass er das Weite suchte und die Stadt deshalb verlassen hatte, weil es ihm hier zu unsicher war. Erst gegen Abend ging er wieder gen Westen, um seine Schritte den Wäldern am Fuße der Taras-Elborgan entgegenzulenken. Er entfachte jedoch kein Feuer, als er sein Nachtlager bereitete, und schlief schnell ein.
Gegen Mittag des folgenden Tages erreichte er die Wälder und hielt sich darinnen in nordwestlicher Richtung. Je weiter er vorankam, desto dichter wurde der Wald und an manchen Stellen musste er große Haken schlagen, um hindurchzukommen. Die Landschaft war zu zerklüftet, als dass er immer in eine Richtung hin seinen Weg gefunden hätte. Sicher würde er in diesem Gelände nur den dritten Teil der üblichen Weglänge eines Marschtages zurücklegen können, schätzte er seine Geschwindigkeit ab. Aber das machte nichts. Wenn er länger brauchte, waren bestimmt auch die Rebellen wieder aus dem Fend abgezogen, wo sie die Truppen Elborgans geschlagen hatten. Turgos war sehr vorsichtig und immer darauf bedacht, keine Lichtung oder nackte Felsen zu überqueren. Er wollte nicht über weite Strecken sichtbar einhergehen und hielt sich daher immer ganz nahe bei den Bäumen, so gut er dies vermochte und es der Bewuchs zuließ.
Nach zwei Tagen dieses beschwerlichen Marsches war er in ein Gebiet gelangt, das sicher schon dem Fend zugerechnet werden musste, wie er annahm. Er wollte nun noch vorsichtiger sein, schließlich konnte er nicht wissen, ob seine Annahme, dass sich alle Soldaten der verfeindeten Truppen inzwischen aus dem Fend zurückgezogen hatten, auch zutraf.
Er war nahe an den Berghängen und beschloss, dass er, wenn es dunkel war, dort etwas hinaufsteigen würde. Dann hätte er einen besseren Überblick über die Wälder und würde ein Feuer sehen,
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